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FOTO: KAPUZINER/CHRISTIAN ALBERT

22. Janu­ar 2025

Albanien: Abwanderung mit dramatischen Folgen

Immer mehr jun­ge Alba­ner wan­dern nach Deutsch­land aus – eine bes­se­re Zukunft im Blick. Die­se Abwan­de­rung hat dra­ma­ti­sche Fol­gen für das Leben in Alba­ni­en. Zurück blei­ben die Alten, die Dör­fer ster­ben aus.

Ein Berg­dorf, im Nor­den Alba­ni­ens: Die 48-jäh­ri­ge Mri­ka wohnt hier mit ihrem Mann und der Schwie­ger­mut­ter. In ihrem Haus, das am Ran­de des Ortes liegt, ist es still gewor­den. Ihre Kin­der sind nicht mehr vor Ort. Sohn Arben lebt ille­gal in Deutsch­land und arbei­tet schwarz auf Bau­stel­len, ihr jüngs­ter Sohn Edvin (alle Namen geän­dert) hat im ver­gan­ge­nen Jahr die Schu­le been­det und stu­diert nun in Tira­na. Seit­dem ist er nur gele­gent­lich an den Wochen­en­den bei sei­nen Eltern. Mri­ka befürch­tet, dass auch er bald ins Aus­land gehen will.

Das Dorf, in dem sie leben, zählt noch zu den bevöl­ke­rungs­reichs­ten in der Regi­on um Fus­hë-Arrëz. Doch auch hier ist die ste­tig zuneh­men­de Abwan­de­rung deut­lich zu spü­ren. Immer mehr jun­ge Men­schen sehen in ihrer Hei­mat kei­ne Zukunft.

„Das Leben in unse­rem Dorf hat sich ver­än­dert“, berich­tet Mri­ka. „Als mei­ne Kin­der noch klein waren, gab es hier vie­le Kin­der und jun­ge Leu­te, es war ein leben­di­ges Dorf. Jetzt sind alle weg.“ Schu­len auf den Dör­fern schlie­ßen aus Man­gel an Schü­lern, von den klei­nen Geschäf­ten, in denen man sich auch in den abge­le­ge­nen länd­li­chen Regio­nen mit dem Nötigs­ten ver­sor­gen konn­te, exis­tie­ren die meis­ten nicht mehr. 

Weltweit einmalige Migration

So wie der Fami­lie von Mri­ka geht es vie­len Men­schen in Alba­ni­en. Das Pro­blem der Abwan­de­rung hat sich in den letz­ten Jah­ren ver­schärft, ist aber nicht neu. Schon in den 90erJahren ver­ließ die Hälf­te der Wis­sen­schaft­ler das Land. Die­se Ent­wick­lung hat­te und hat auch eine posi­ti­ve Sei­te, denn die im Aus­land arbei­ten­den Alba­ne­rin­nen und Alba­ner über­wei­sen bis heu­te Gel­der in signi­fi­kan­ter Höhe an ihre Ange­hö­ri­gen im Land. Die Welt­bank schätz­te vor eini­gen Jah­ren, dass die­se Gel­der fast zehn Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­duk­tes des Lan­des ausmachen.

Den­noch: Die Land­flucht ent­völ­kert gan­ze Land­flä­chen. „Die moder­ne alba­ni­sche Migra­ti­on gilt als welt­weit ein­ma­lig auf­grund ihrer Inten­si­tät“ schreibt die Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bildung.

Das The­ma Asyl spielt kaum eine Rol­le. Wer in Deutsch­land arbei­ten will, benö­tigt dafür in der Regel einen Auf­ent­halts­ti­tel. Gere­gelt ist das in der soge­nann­ten „West­bal­kan-Rege­lung“. Für Bran­chen, in denen Deutsch­land beson­ders pro­fi­tiert, gel­ten spe­zi­el­le Rege­lun­gen. Auch das Fach­kräf­te­ein­wan­de­rungs­ge­setz bie­tet Chan­cen für qua­li­fi­zier­te Ein­wan­de­rer. Ande­re arbei­ten – wie Arben – ille­gal in EU-Ländern.

Die deut­sche Wirt­schaft pro­fi­tiert von die­ser Zuwan­de­rung, Unter­neh­men for­dern wei­ter­ge­hen­de Rege­lun­gen. Auch die Poli­tik hat das The­ma ent­deckt, regel­mä­ßig gehen Poli­ti­ker auf Tour und star­ten „Abwer­be­of­fen­si­ven“.

Die alba­ni­sche Regie­rung will gegen­steu­ern: So gilt mitt­ler­wei­le ein Gesetz, das die Abwan­de­rung von Ärz­ten stop­pen soll. Medi­zin­stu­die­ren­de müs­sen nach dem Stu­di­um fünf Jah­re im Land arbei­ten – oder 40.000 Euro an den Staat zah­len. Ob die­se gesetz­li­chen Gegen­maß­nah­men bei gleich­blei­bend schlech­ten Rah­men­be­din­gun­gen im Land wirk­lich erfolg­reich sind, das wird sich noch zeigen. 

Arben arbeitet illegal in Deutschland

Einer der­je­ni­gen, die ihr Glück in Deutsch­land ver­su­chen, ist Arben. Er ist mit einem Tou­ris­ten­vi­sum in Deutsch­land ein­ge­reist, das ihm einen 90-tägi­gen Auf­ent­halt ermög­licht. Arbei­ten ist ihm damit nicht gestat­tet. Trotz­dem arbei­tet er in Ber­lin auf einer Bau­stel­le. „In Ber­lin ist es leicht, Arbeit zu fin­den“, berich­tet er. 

Arben ist nicht zum ers­ten Mal im Land. Seit knapp drei Jah­ren reist er nach Deutsch­land, arbei­tet schwarz im Bau­ge­wer­be und kehrt mit Ablauf des Tou­ris­ten­vi­sums nach drei Mona­ten wie­der nach Alba­ni­en zurück. Bei sei­nen Eltern im Dorf bleibt er nur für kur­ze Zeit, um dann wie­der mit einem Tou­ris­ten­vi­sum für wei­te­re 90 Tage nach Deutsch­land zu gehen. Für Arbens Eltern bedeu­tet dies, dass sie auch in Zukunft auf sich allein gestellt sind.

Die Geschich­te der Fami­lie zeigt: Die Fol­gen die­ser Ent­wick­lung sind dra­ma­tisch. Die Kapu­zi­ner, die in den Ber­gen in Fus­hë-Arrëz leben, sehen die Aus­wir­kun­gen der Abwan­de­rung ganz kon­kret. Gan­ze Dör­fer ster­ben aus, vie­ler­orts blei­ben alte Men­schen zurück, die vor­her in einem Fami­li­en­ver­bund gelebt haben. Mit dem Alter kön­nen sie Din­ge wie Ein­kau­fen, Kochen und Put­zen nicht mehr erle­di­gen. Wenn die Jun­gen weg­zie­hen, dann schwin­den die Per­spek­ti­ven in der alten Hei­mat. Mri­ka bringt es auf den Punkt: „Unser Dorf wird lee­rer und wir Zurück­ge­blie­be­nen einsamer.“

 

Text: Br. Chris­ti­an Albert und Tobi­as Rauser

Der Arti­kel ist zu erst in cap! erschie­nen, dem Maga­zin der Kapu­zi­ner

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