

FOTO: KAPUZINER
In den Bergen Mexikos
Kapuziner aus Deutschland lebten viele Jahre in der Region Oaxaca in Mexiko
An die Ränder gehen
Der Begriff „Mission“ hat vielfach einen schlechten Ruf, das Verständnis hat sich gewandelt. Wie sieht es heute aus? Was für die Kapuziner im Fokus ihrer Missionsarbeit steht, erklärt Br. Helmut Rakowski.
Es war 1991, als ich in meiner Heimatgemeinde in Mainz in die Mission nach Süd-Mexiko ausgesendet wurde. Mit damals 29 Jahren steckte ein gutes Stück Abenteuerlust hinter dieser Entscheidung. Ein anderes Argument bewegte mich aber noch viel mehr: „Ich gehe dorthin, wo keiner sonst hingehen will!“
Tatsächlich bestimmte schon damals die Landflucht das Leben in den armen Dörfern in den Bergen der Mixteca Alta im Westen des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca. Wer konnte, versuchte näher an die Städte heranzukommen: Lehrer ebenso wie Pfarrer, aber auch viele junge Leute. Alle wollten dorthin, wo man Geld verdienen konnte, wo es Straßen und ein Fernsehsignal gab und wo man relativ schnell einen Arzt finden konnte.
Wir Kapuziner gingen damals aus Deutschland in die Mission nach Mexiko. Es ging keinesfalls um die Bekehrung von Heiden. Die Kirche in meiner neuen Heimat San Mateo Peñasco war alt und die Taufbücher gingen zurück ins 18. Jahrhundert. Es ging uns um den Dienst an den Menschen. Diese waren froh, dass jemand da war, der die Kinder taufte, die Toten aussegnete und bei den „Fiestas“ Gottesdienst feierte. Unser Pastoralplan hatte zum Ziel, „die Menschen zu befähigen, ihr eigenes Leben zu bestimmen“. Das galt für die Sakramente und den Religionsunterricht genauso wie für den Bereich der indigenen Kultur und der politischen Bildung. Es gab Projekte für nachhaltigen Landbau, für Naturmedizin oder zur Vermarktung der heimischen Produkte.
Mission hat oft einen schlechten Ruf. Viele setzen sie mit gewaltsamer Bekehrung gleich, verbinden damit kulturelle Überfremdung und Unterwerfung. Es war der heilige Franziskus, der als erster Ordensgründer einen Missionsstil in die Ordensregel schrieb: Mitten in den Kreuzzügen machte er deutlich, dass das eigene Lebenszeugnis vor jeder Wortverkündigung zu kommen hat und der franziskanische Mensch zunächst einmal Mission ist und nicht macht. Franziskus schreibt, dass diejenigen, die unter die Sarazenen (also die „Ungläubigen“) gehen, in „zweifacher Weise unter ihnen geistlich wandeln“ können. Die erste und bevorzugte Art besteht darin, „dass sie weder zanken noch streiten, sondern um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind.“ Nur an zweiter Stelle steht, und auch nur „wenn sie sehen, dass es dem Herrn gefällt“, die Wortverkündigung.
Der schlechte Ruf der Mission kommt nicht allein vom Christentum. Soziale Gebilde, von kleinen Volksgruppen bis zu Großreichen, stützten und stützen ihre Macht und Sicherheit immer auf höhere Mächte. Es war nicht selten staatstragende Bürgerpflicht, den „richtigen“ Kult auszuüben. Wer das nicht tat, beschwor den Zorn der Götter herauf und wurde zur Gefahr für das gesellschaftliche Gefüge und damit ein Feind, den es zu bekehren oder zu vernichten galt. Entsprechend wurde bei Eroberungen fast immer auch die Religion der Sieger aufgezwungen. Manchmal mit einem integrativen Ansatz, das heißt, man musste neben den eigenen religiösen Praktiken zumindest auch die Gottheit des Siegers verehren (so etwa bei den Römern). Oftmals aber auch exklusiv, das heißt, die alten Kultorte wurden zerstört und durch neue ersetzt (so etwa bei den Azteken). Noch im Augsburger Religionsfrieden 1555 wurde unter den zerstrittenen Christen bestimmt, dass die Untertanen die Religion, gemeint war die Konfession des Herrschers, anzunehmen hatten: „cuius regio, eius religio“.
Heute verstehen wir den Auftrag Jesu, das Evangelium bis an die Enden der Erde zu tragen, als das (Mit-)Teilen des eigenen Glaubens, als das Angebot der Perle beziehungsweise des Schatzes an die Menschen anderer Religion und ohne Religion. Dialog ist, entsprechend den kirchlichen Dokumenten, Teil dieser Mission. Oft beschränkt sich dieser Einsatz gemäß des heiligen Franziskus auf das Zeugnis eines christlichen Lebens und auf den Dienst an den kleinen (und manchmal auch größeren) Christengemeinden in der Diaspora (zum Beispiel in der Türkei, Pakistan, Arabien oder Nordindien).
Dorthin zu gehen, wo keiner sonst hingehen will: Das ist eine Mission, die sich auch an unseren Peripherien ereignet. Das „Mission Statement“, unser Leitbild für die Mission der Kapuziner, lautet: Menschen am Rande begleiten, einen Glauben vorleben, der nicht ausschließt, sondern ermutigt, und die frohe Botschaft anzubieten, dass Gott die Kleinen aufrichtet. Darum stehen drei Worte über unserem Tun: Einfach. Franziskanisch. Leben.
Text: Br. Helmut Rakowski
Mehr zur Mission der Kapuziner lesen Sie in der nächsten Ausgabe von cap!, dem Magazin der Kapuziner. Wenn Sie die Mission der Kapuziner unterstützen wollen, können Sie das hier tun.