

FOTO: LEMRICH
BR. STEFAN WALSER
ist seit 2006 Kapuziner. Der Theologe ist Juniorprofessor für Fundamentaltheologie und christliche Identitäten an der Uni in Bonn. Er lebt im Kapuzinerkonvent in Frankfurt am Main.
Br. Stefan, warum lässt Gott das Leid zu? (Serie 1/3)
Drei Kapuziner, drei komplexe Fragen, drei kurze Antworten: In unserer Mini-Serie lesen Sie drei theologische Kurzimpulse zu komplexen Fragen. Teil 1: Warum lässt Gott das Leid zu?
Bei einer derart großen Frage ist es wichtig zu hören, wer sie überhaupt stellt. Wenn eine Krebspatientin im Krankenhaus die „Warum-Frage“ stellt, dann ist das nicht der Zeitpunkt für eine theologische Diskussion. Das wäre so zynisch, wie wenn der Chefarzt bei der Visite seine neusten Labordaten über Tumorzellteilung präsentiert. In der konkreten Situation des Leids kann es für Christinnen und Christen allein darum gehen, dazusein und auszuhalten, dass es keine befriedigende Antwort gibt. Dann ist es dran, Gott – wem auch sonst – das Leid zu klagen.
In einem theologischen Seminar sieht das anders aus. Da darf und muss die Frage auf den Tisch, weil sie nach wie vor der „Fels des Atheismus“ ist. Wie geht das zusammen: Gottes Liebe und Allmacht mit dem himmelschreienden Leid der Welt?
Früher hat man theologisch das Leid schön aufgeteilt: Gott ist nicht für menschengemachtes Leid zuständig, nur Krankheit und Naturkatastrophen gehen auf sein Konto. Heute sehen wir deutlicher, wie viel an Überschwemmungen, Erdbeben und Hunger doch auf den Menschen gebucht werden muss. Gott hat uns Menschen Verantwortung und Freiheit übertragen – zum Guten wie zum Bösen.
Das ist nach wie vor das stichhaltigste Argument: Gott hat sich selbst dazu bestimmt, die Welt und sogar sich selbst durch menschliche Freiheit bestimmen zu lassen. Der Preis dafür ist hoch. Aber ein Leben durchgängig von göttlicher Intelligenz gesteuert und übrigens auch ein ewiges irdisches Leben wäre wohl auch keine paradiesische Vorstellung. Bleibt immer noch genug, was zum Himmel schreit, ohne dass der Himmel hilft. Es wurde theologisch viel nachgedacht, ob Gott die Welt hätte anders erschaffen können – oder ob wir nicht bereits in der besten aller möglichen Welten leben.
Das Leid von Mensch und Natur stellt eine Anfrage an Gott. Das ist richtig. Aber es ist auch eine Frage an uns. Und zwar unabhängig davon, ob das Leid menschengemacht ist oder nicht. So sitzen wir als Christinnen und Christen am Ende mit dieser Frage doch nicht im Seminarraum, sondern eher am Krankenbett. Insbesondere dann, wenn wir den Glauben an einen Gott hochhalten, der sich in Jesus Christus mit den Leidenden und den Toten solidarisch verbunden weiß.
Dieser Beitrag ist zuerst in cap! erschienen, dem Magazin der Kapuziner. Die anderen beiden Teile der Serie beschäftigen Sie mit der Frage „Kann ein Reicher in den Himmel kommen?“ und „Was ist der Heilige Geist?“