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FOTO: Unsplash.com/Aaron Burden

12. Mai 2025

Die Methode der Ruminatio: Atempause im Alltag

Die Welt wird immer hek­ti­scher. Gesucht wird ein inne­rer Anker und mehr spi­ri­tu­el­le Gelas­sen­heit. Br. Tho­mas Dien­berg prä­sen­tiert dazu eine Übung für eine Atem­pau­se der See­le: die Metho­de der „Rumi­na­tio“.

Die Rumi­na­tio ist eine sehr ein­fa­che und alte Gebets­me­tho­de. Das latei­ni­sche Verb „rumi­na­re“ bedeu­tet so viel wie „wie­der­käu­en“. Schon im Alten Tes­ta­ment ist die­se Wei­se des Betens im Psalm 1, 1–2 ange­deu­tet, wenn es dort heißt: „Selig der Mann, der nicht nach dem Rat der Frev­ler geht, nicht auf dem Weg der Sün­der steht, nicht im Kreis der Spöt­ter sitzt, son­dern sein Gefal­len hat an der Wei­sung des HERRN, bei Tag und bei Nacht über sei­ne Wei­sung nachsinnt.“

Bei Tag und Nacht über die Wei­sung des Herrn nach­den­ken: Was heißt das und wie geht das? Die Wüs­ten­vä­ter und Wüs­ten­müt­ter im 3.–6. Jahr­hun­dert setz­ten die­se Auf­for­de­rung in die Pra­xis um. Wich­ti­ge Punk­te ihres all­täg­li­chen Lebens waren das mor­gend­li­che Hören eines Schrift­tex­tes sowie das Psal­men­ge­bet. Die Metho­de der Rumi­na­tio besag­te dabei, dass sich der Wüstenvater/die Wüs­ten­mut­ter einen Psalm­vers oder ein bibli­sches Wort such­te, das sie ansprach. Mit die­sem Wort gin­gen sie durch den Tag, indem sie es immer wie­der für sich halb­laut aus­spra­chen und wie­der­hol­ten, es qua­si ‚wie­der­käu­ten‘. So beglei­te­te die­ses Wort die Väter und Müt­ter wäh­rend der Arbeit, wäh­rend der Erho­lung, wäh­rend des Essens bis in den Abend hin­ein. Das „Wie­der­käu­en“ gab ihnen dabei die Gewiss­heit, in der Gegen­wart Got­tes zu leben und sich die­ser Gegen­wart bewusst zu sein, ohne lan­ge Gebets- oder Medi­ta­ti­ons­zei­ten dafür ein­zu­pla­nen. Immer wie­der hol­ten sie das Wort aus ihrem Gedächt­nis her­vor, mur­mel­ten es oder spra­chen es in Gedan­ken aus, ähn­lich einer Kuh, die wie­der und wie­der die vor­ge­kau­te und hin­un­ter­ge­schluck­te Nah­rung hoch­würgt und wiederkäut. 

In der Gebets­wei­se wird somit qua­si die wun­der­ba­re Spei­se des Wor­tes Got­tes erneut ver­kos­tet und belebt und nährt die Wüs­ten­vä­ter und ‑müt­ter den Tag über. In spä­te­ren Jahr­hun­der­ten wur­de die­se Metho­de der Rumi­na­tio auf­ge­grif­fen und fin­det sich in vie­len geist­li­chen Schrif­ten der Mys­ti­ke­rin­nen und Mys­ti­ker, bis hin zur Emp­feh­lung Mar­tin Luthers, abends ein Wort der Schrift mit ins Bett zu neh­men und es wie eine Kuh wiederzukäuen.

So funk­tio­niert die Übung: Am Mor­gen wäh­le ich ein Schrift­wort aus. Das kann ein Psalm­vers sein, ein kur­zer Satz aus der Hei­li­gen Schrift – ent­we­der weil das Wort anspricht oder auch weil es irgend­wie pro­vo­ziert. Die­ses Wort mur­meln Sie in regel­mä­ßi­gen Abstän­den halb­laut in allem, was Sie tun. Was immer an Gedan­ken oder Asso­zia­tio­nen kommt, ver­kos­ten Sie es. Den­ken Sie nicht zu sehr dar­über nach, denn die­se Gebets­me­tho­de will den Leib näh­ren und nicht nur den Ver­stand. Es geht nicht ums Ana­ly­sie­ren und Den­ken, son­dern dar­um, das Wort mit in den All­tag zu neh­men und die­sen dadurch mit der Quel­le unse­res Glau­bens, der Bibel, zu verbinden.

Was bringt es mir? Das Wie­der­käu­en von bibli­schen Wor­ten durch den Tag ver­bin­det auf der einen Sei­te die Bibel mit dem All­tag. Zum ande­ren kann es heil­sam wir­ken, indem es mich mit der Quel­le ver­bin­det und mir deut­lich macht, wor­auf es wirk­lich im Leben ankommt. Die Regel­mä­ßig­keit und das ste­te Wie­der­ho­len üben eine beru­hi­gen­de Wir­kung aus, ähn­lich dem Rosen­kranz oder Lita­nei­en. Nicht die Aus­sa­ge als sol­che ist wich­tig, nicht die Übung, son­dern die Wir­kung, und die kann sehr heil­sam sein. Das Wort Got­tes wird all­täg­lich. Es beglei­tet mich wie selbst­ver­ständ­lich durch den Tag. Gleich­zei­tig kann es mich gera­de auch in hek­ti­schen Zei­ten erden und mir ein wenig Gelas­sen­heit und auch Ruhe geben.

Wie­viel Zeit wird über den Tag ver­teilt benö­tigt? Es braucht nicht viel Zeit, um die Rumi­na­tio ein­zu­üben. Am Mor­gen vor der Arbeit neh­me ich mir die Hei­li­ge Schrift, lese ent­we­der einen Abschnitt aus der Bibel oder schla­ge gleich die Psal­men auf. Ich wäh­le einen Vers, der mich anspricht und gehe damit in den All­tag, halb­laut mur­melnd, in Gedan­ken spre­chend. Am Abend ist es hilf­reich, vor dem zu-Bett-Gehen kurz hin­zu­schau­en: Wie war es? Wie hat mich das Wort beglei­tet? Wie geht es mir? Ich dan­ke Gott für sei­ne Gegen­wart und beschlie­ße den Tag. Ins­ge­samt benö­ti­gen Sie also am Mor­gen viel­leicht fünf bis zehn Minu­ten, eben­so am Abend.

 

Der Text von Br. Tho­mas Dien­berg ist zuerst in cap! erschie­nen, dem Maga­zin der Kapu­zi­ner. Br. Tho­mas Dien­berg ist auch Autor des Buches „Spi­ri­tu­el­le Atem­pau­sen: 40 Übun­gen für die See­le“. Das Buch bie­tet kur­ze Übun­gen (wie die­se hier vor­ge­stell­te) aus der rei­chen Tra­di­ti­on der christ­li­chen und klös­ter­li­chen Spi­ri­tua­li­tät, die sich mühe­los in den All­tag inte­grie­ren las­sen. Wei­te­re Infos zum Buch fin­den Sie hier

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