Interview

FOTO: Tobi­as Rauser

SR. NOTBURGA MARINGELE

ist Jahr­gang 1958 und wur­de in Tirol gebo­ren. Die Ter­ti­ar­schwes­ter des hei­li­gen Fran­zis­kus enga­giert sich unter ande­rem für Geflüch­te­te und den Erhalt der Schöp­fung. Im August 2025 wur­de sie zur Pro­vinz­obe­rin ihrer Gemein­schaft gewählt. 

27. Okto­ber 2025

„Die Ungerechtigkeit in der Welt treibt mich um“

Sr. Not­bur­ga Marin­ge­le setzt sich für die Rech­te Geflüch­te­ter und den Umwelt­schutz ein. War­um sie sich enga­giert und wie das Leid der Welt die Fran­zis­ka­ne­rin herausfordert.

Sr. Not­bur­ga, war­um sind Sie vor vie­len Jah­ren Fran­zis­ka­ne­rin geworden?

Ich kann da kei­ne klas­si­sche Beru­fungs­ge­schich­te erzäh­len, denn ich habe nie an ein Leben im Klos­ter gedacht. Ich habe eine Büro­leh­re gemacht, aber schon gemerkt: Für immer will ich das nicht machen. Eines Nach­mit­tags kam mir ganz zufäl­lig ein Pro­spekt über fran­zis­ka­ni­sches Leben in die Hän­de. Plötz­lich dach­te ich: Viel­leicht wäre das was?

Eine spon­ta­ne Eingebung?

So war es. Ich habe dann direkt nach Frau­en­ge­mein­schaf­ten gesucht und eine gefun­den, die auch Sozi­al­ar­beit macht. Ich habe dort hin­ge­schrie­ben, ohne mehr zu wis­sen: Ich habe Inter­es­se am Ein­tritt. Nach einem ein­zi­gen Tag im Klos­ter habe ich mich ent­schie­den: Das will ich machen. Ein paar Mona­te spä­ter bin ich eingetreten.

Fügung oder Lie­be auf den ers­ten Blick: Was war das?

Von allem etwas. Vor allem ent­sprach es mei­nem spon­ta­nen Wesen. Ver­liebt­heit trifft es auch ganz gut: Ich hat­te Schmet­ter­lin­ge im Bau. Es war eine abso­lu­te Bauchentscheidung.

Sind die Schmet­ter­lin­ge irgend­wann verschwunden?

Ich bin vie­le Jah­re wie auf Wol­ken geschwebt. Aber natür­lich, es gab auch ande­re Pha­sen. Da ist man am Boden.

Was waren das für Phasen?

Pha­sen, in denen ich gemerkt habe, dass die Welt um mich her­um alles ande­re als per­fekt ist. Das ging ein­her mit einer Unzu­frie­den­heit mit mir selbst. Es hat mich eini­ge Kraft gekos­tet, zu ler­nen, dass ich alles in Frie­den umar­men kann.

Ging es da um Gotteszweifel?

Nein, nicht wirk­lich. Es ging um ein Akzep­tie­ren, dass die­se Welt nicht per­fekt ist.

Ist die­se nicht-per­fek­te Welt ein Antrieb für Ihr Tun? 

Ja, auf jeden Fall. Die Unge­rech­tig­keit in der Welt treibt mich um, sie treibt mich an. War­um sind die Chan­cen auf ein gutes Leben so unfair ver­teilt? Ich möch­te etwas dage­gen unternehmen.

Was macht das mit Ihnen, dass soviel Leid in der Welt ist?

Ich kann das nicht abschlie­ßend beant­wor­ten. Die­se furcht­ba­ren Ent­wick­lun­gen in der Welt, das for­dert mich her­aus, immer noch zu glau­ben, dass Gott das trägt. Ist Gott am Ende alles egal? Ich kämp­fe damit, heu­te mehr als frü­her. Und doch, ganz unten, ist da immer noch ein Ver­trau­en. Es gibt die­se Stim­me, die mir sagt: Hab kei­ne Angst, ich bin da.

Wo gehen Sie hin, wenn die Angst Sie packt?

In den Gar­ten. Das ist mei­ne Kathe­dra­le. Dort kann ich Beten. In Got­tes Schöp­fung kom­me ich zur Ruhe, fin­de mei­nen Frieden.

Sie enga­gie­ren sich für die­se Schöp­fung, mit aller Leidenschaft.

Ja, ich bren­ne für die wun­der­ba­re Schöp­fung. Der Gedan­ke, dass wir das wirk­lich alles kaputt machen, der bringt mich fast um. Die Men­schen ren­nen ins Ver­der­ben. Der Kli­ma­wan­del ist da – und er ver­stärkt die Unge­rech­tig­keit in der Welt. Da muss ich mich ein­fach engagieren.

Sie sind über­re­gio­nal bekannt gewor­den als Ordens­schwes­ter, die sich poli­tisch enga­giert. Für Migran­ten, für Men­schen­rech­te, für mehr Kli­ma­schutz. Ein Foto mit einem Pla­kat, auf dem Sie sich gegen die Abschie­bung von Kin­dern aus gespro­chen haben, ging viral. Sie waren Teil einer Mahn­wa­che, sind bei Reli­gi­ons for Future aktiv. Wie kam es dazu?

Ich bin da über­all irgend­wie rein­ge­stol­pert (lacht). Es waren oft spon­ta­ne Ideen und Ein­fäl­le, die ich auch nie allei­ne, son­dern immer in einem Netz­werk von Enga­gier­ten ange­gan­gen bin. Dahin­ter stand immer der kla­re Wil­le, etwas zu tun und Unge­rech­tig­keit nicht ein­fach hinzunehmen.

Wo kommt da Fran­zis­kus ins Spiel?

Fran­zis­kus hat mit sei­ner Lei­den­schaft für Gott und die Men­schen einen Lebens­stil gepflegt, der für mich ein ganz gro­ßes Vor­bild ist. Die­ser zärt­li­che Umgang mit der Welt, das fas­zi­niert mich. Nicht gie­rig sein, sich von Gott beschenkt wis­sen. Das macht reich und glücklich.

War­um liegt Ihnen der Kli­ma­schutz so am Herzen?

Kli­ma ist auch ein Gerech­tig­keits­the­ma. Er trifft zuerst und am stärks­ten die Ärms­ten der Armen. Ich habe das selbst erlebt, denn ich bin auch für unse­re Mis­si­ons­ar­beit in Boli­vi­en ver­ant­wort­lich. Auch das The­ma Migra­ti­on ist mit der Kli­ma­fra­ge ver­bun­den: Schon jetzt ist jeder drit­te Flücht­ling ein Kli­ma­flücht­ling. Dabei hat die Welt genug für jeder­manns Bedürf­nis­se – nur nicht für jeder­manns Gier.

Ist Ihr Glau­be für Sie ein poli­ti­scher Auftrag?

Ja, auf jeden Fall. Auch wenn ich schwei­ge, hat das ja poli­ti­sche Fol­gen. Wie heißt es so schön: „Man kann nicht nicht kom­mu­ni­zie­ren“. Genau­so kann man „nicht nicht poli­tisch“ sein. Aus mei­ner Sicht kann man Got­tes­lie­be und Nächs­ten­lie­be nicht von­ein­an­der tren­nen. Chris­ten sol­len Sau­er­teig in der Gesellschaft
sein, das ist ein Auf­trag. Und wir haben gran­dio­se Bot­schaf­ten: Du bist wert­voll, weil Du Mensch bist. Egal, was Du leis­tet. Du bist Mensch mit unver­lier­ba­rer Würde. 

 

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser

Sr. Not­bur­ga Marin­ge­le ist Jahr­gang 1958 und wur­de in Tirol gebo­ren. Nach einer Leh­re zur Büro­kauf­frau trat sie 1979 bei den Ter­ti­ar­schwes­tern des hei­li­gen Fran­zis­kus ein. Sie arbei­te­te unter ande­rem als Reli­gi­ons­leh­re­rin in einem För­der­zen­trum für gehan­di­cap­te Kin­der und Jugend­li­che und lebt seit 2014 wie­der im Pro­vinz­haus in Hall. Sie ist auch für die Boli­vi­en­mis­si­on ihres Ordens zustän­dig. Im Som­mer 2025 wur­de sie zur Pro­vinz­obe­rin ihrer Gemein­schaft gewählt.  Die Fran­zis­ka­ne­rin enga­giert sich unter ande­rem für Geflüch­te­te und den Erhalt der Schöpfung. 

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