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FOTO: KAPUZINER/TOBIAS RAUSER

4. Juli 2025

Entscheidungen beim Einkauf: Ist mir zu komplex?!

Das Leben besteht aus Ent­schei­dun­gen. Ver­brau­cher ste­hen vor viel­schich­ti­gen Fra­gen beim Ein­kauf – etwa beim Apfel. Wer ist in der Ver­ant­wor­tung, Klar­heit ins Kom­ple­xi­täts­cha­os zu bringen?

Wel­cher Apfel darfs denn sein? Die Fra­ge klingt ein­fach. Die Ant­wort ist es nicht. „Ein Bio-Apfel aus der Regi­on“, wäre wohl der ers­te Impuls. Aber was ist mein Ziel? Eine nach­hal­ti­ge Pro­duk­ti­on und Lage­rung, der Erhalt der Arten­viel­falt, die Ver­mei­dung von Pes­ti­zi­den, die Unter­stüt­zung des Bau­ern­hofs in der Nach­bar­schaft? Muss ich aufs Geld schau­en? Oder geht es um den Geschmack?

Wenn es allein um die Öko­bi­lanz des Apfels geht, ist es ent­schei­dend, in wel­chem Monat ich mei­nen Apfel kau­fe, denn ein rele­van­ter Fak­tor ist die Lage­rung des Obs­tes. Wer im April eine kna­cki­ge regio­na­le Frucht kauft, der kauft ziem­lich sicher einen Apfel, der schon vie­le Mona­te in einem gekühl­ten Lager­raum frisch gehal­ten wur­de. Das kos­tet viel Ener­gie. In die­sem Fall kann – und zu die­sem Ergeb­nis kom­men auch Stu­di­en – der Apfel aus Neu­see­land, der mit dem Con­tai­ner­schiff nach Deutsch­land gebracht wur­de, die bes­se­re Öko-Bilanz aus­wei­sen. Denn in Über­see ist zu die­ser Zeit Ern­te­sai­son. Ähn­lich ist es mit Gemü­se, denn beheiz­te Gewächs­häu­ser brau­chen viel Ener­gie, wäh­rend anders­wo die Toma­ten aus­schließ­lich mit Hil­fe von Bru­der Son­ne wach­sen. Nur eins ist sicher: Wenn Gemü­se oder Obst geflo­gen wer­den, dann kann man sich alle Rech­ne­rei spa­ren. Flug-Erd­bee­ren im Dezem­ber sind in Sachen Öko-Bilanz kei­ne gute Idee.

Verzicht im Frühsommer?

Nach­ge­fragt bei Eck­art Brand, deut­scher Pomo­lo­ge (Obst­bau­kund­ler), Autor und Exper­te für den Anbau his­to­ri­scher Apfel­sor­ten: Wel­che Äpfel kauft er ein? „Ich kau­fe immer regio­na­le Äpfel. Mög­lichst direkt vom Erzeu­ger“, sagt er. Brandt setzt auf Äpfel, die über­haupt nicht gespritzt wor­den sind. Die Fra­ge nach Lage­rung und Sai­so­na­li­tät hat er für sich wie folgt beant­wor­tet: „Ich fin­de, wir brau­chen kei­ne Äpfel aus Über­see.“ Das bedeu­tet für ihn aller­dings einen Ver­zicht auf Äpfel in den ers­ten Som­mer­mo­na­ten: „Da die CO2-Bilanz des Lage­r­obs­tes nicht so toll ist, esse ich im Som­mer weni­ger fri­sche Äpfel, dafür mehr Mus und Trockenobst.“

Auch Br. Bernd Beer­mann, Kapu­zi­ner in Ebers­wal­de, hat sich schon detail­liert mit dem The­ma Apfel beschäf­tigt. Für den pro­mo­vier­ten Che­mi­ker steht fest: „Regio­nal ist für mich die ers­te Wahl – und der ent­spre­chen­de Anbau ohne Pes­ti­zi­de.“ Die­se Äpfel fin­det der fran­zis­ka­ni­sche Ordens­mann nicht im Super­markt, son­dern in klei­nen Läden, die sich auf die­se Din­ge spe­zia­li­siert haben. Es geht ihm um Nach­hal­tig­keit, aber auch um die Unter­stüt­zung von Bau­ern, die sich um Obst­wie­sen ohne Pes­ti­zi­d­an­bau mit dem Fokus auf Arten­viel­falt küm­mern. Für ihn gilt der alte Spruch in der Land­wirt­schaft: „Was nicht kon­su­miert wird, wird auch nicht erhalten.“

„Wer mehr hat, hat mehr Verantwortung“

Der Ver­brau­cher hat mit sei­ner Kauf­ent­schei­dung also sehr wohl Ein­fluss. Das gilt etwa für die Fra­ge, in wel­cher Jah­res­zeit ich was kau­fe: „Wenn ich im April einen kna­cki­gen Apfel erwar­te, dann geht das bei einer regio­na­len Frucht nur, wenn die­se ener­gie­in­ten­siv gela­gert wur­de“, sagt der Kapu­zi­ner, der zur­zeit in Ebers­wal­de „Stra­te­gi­sches Nach­hal­tig­keits­ma­nage­ment“ stu­diert. Für vie­le ein The­ma: der Preis. Der Geld­beu­tel gibt nicht immer die Bio-Vari­an­te her. Was beim Bio-Apfel viel­leicht noch geht, ist beim The­ma Öko-Fleisch schon schwie­ri­ger oder nur mit Ver­zicht zu hand­ha­ben. Hier legt sich Br. Bernd fest: „Es gilt das Prin­zip der katho­li­schen Sozi­al­leh­re: Wer mehr hat, der hat mehr Verantwortung.“

Wenn schon der Apfel­kauf eine anspruchs­vol­le Ange­le­gen­heit ist, wie sieht es dann bei kom­ple­xe­ren Pro­duk­ten wie einem Mobil­te­le­fon aus? Kin­der­ar­beit, Roh­stof­fe, Löh­ne, Arbeits­be­din­gun­gen: Hier kommt die per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung des Kon­su­men­ten an Gren­zen, denn „es ist fast unmög­lich für einen Ver­brau­cher, die gesam­te kom­ple­xe Lie­fer­ket­te zu durch­schau­en“, sagt Br. Bernd. Wer ist da gefragt? „Das ist die Auf­ga­be des Staa­tes“, sagt Br. Bernd ent­schie­den. „Für den Ver­brau­cher ist das bei kom­ple­xen Pro­duk­ten nicht mach­bar.“ Auch für Frie­del Hütz-Adams vom wis­sen­schaft­li­chen Süd­wind Insti­tut für glo­ba­le Gerech­tig­keit steht fest, dass die Unter­neh­men in der Pflicht sind – und damit ver­bun­den die Poli­tik, die den Rah­men set­zen muss. 

Ein Ver­such, die­sen Rah­men trans­pa­ren­ter zu gestal­ten, ist das soge­nann­te Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz. Für Hütz-Adams ist das Lie­fer­ket­ten­ge­setz ein wich­ti­ger Schritt nach vor­ne, denn „es legt die Ver­ant­wor­tung für Men­schen­rech­te in die Hän­de derer, die ent­schei­den, wo sie ein­kau­fen und pro­du­zie­ren las­sen: in die Hän­de der Unter­neh­mer.“ Nur so könn­ten Lie­fer­ket­ten nach­hal­tig umge­baut wer­den. Das Gesetz gilt schon, doch über die Umset­zung gibt es Streit. Wahr­schein­lich wird das Vor­ha­ben ver­scho­ben oder abgeschwächt.

Sind Sie­gel, Ampeln oder Label die Lösung des Kom­ple­xi­täts­pro­blems? Hütz-Adams vom Süd­wind Insti­tut hat da sei­ne Zwei­fel: „Sie­gel hel­fen nur sehr bedingt. Zudem ist die Viel­falt nahe­zu undurch­schau­bar.“ Ein Griff ins Regal müs­se auch „ohne ein Sie­gel-Stu­di­um“ mög­lich sein. Eine ande­re Mög­lich­keit für Ver­brau­cher sind Apps, die sich auf bestimm­te The­men wie Kin­der­ar­beit fokussieren.

Vertrauen vereinfacht Entscheidungen

Auch kön­nen sich Kon­su­men­ten kon­kret mit einem Unter­neh­men, einem Label oder einer Ket­te aus­ein­an­der set­zen und Ver­trau­en auf­bau­en. „Wenn man sich ein­mal Mühe gemacht hat und zum Ent­schluss gekom­men ist, dass ein bestimm­tes Unter­neh­men eini­ges bes­ser macht als ande­re, dann kann das die Ein­kaufs­ent­schei­dung ver­ein­fa­chen“, sagt Br. Bernd.

Wenn Sie beim nächs­ten Apfel­kauf über Sor­ten wie Gala oder Geflamm­ter Kar­di­nal nach­den­ken, beden­ken Sie: Wenn Sie mit dem Auto zum Ein­kau­fen fah­ren, dann sind alle Apfel-Nach­hal­tig­keits-Über­le­gun­gen dahin. Allein die Fahrt sorgt für etwa 120 Gramm CO2 pro gefah­re­nem Kilo­me­ter. Zum Ver­gleich: Bei einem Kilo Apfel liegt die Öko-Bilanz bei 90 bis 180 Gramm CO2, auch bei Über­see-Äpfeln. Rad, Bahn oder Auto? Hier ist die Sache also gar nicht komplex.

 

Die­ser Text von Tobi­as Rau­ser ist zuerst in cap! erschie­nen, dem Maga­zin der Kapu­zi­ner. In der Früh­lings­aus­ga­be (ein PDF fin­den Sie hier) ging es um das Titel­the­ma „Kom­ple­xi­tät“. Ein kos­ten­lo­ses Abo der Zeit­schrift kön­nen Sie hier bestel­len

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