

FOTO: Kapuziner/Rudolf Leichtfried
Fahr hinaus, wo es tief ist
Stille und Tiefe: Im Kapuzinerkloster im österreichischen Irdning können Gäste ihre Wahrnehmung schärfen, sich im Gebet üben und auf Gottsuche gehen.
Erst wenn es still wird – und still bleibt – kann sich das zeigen, was sich nur in der Stille zeigt. Aus diesem Grund bitten wir am Anfang der kontemplativen Exerzitien unsere Gäste, alles wegzulassen: das Handy wird ausgeschaltet, Bücher bleiben beiseite und auch alle anderen Beschäftigungen und Ablenkungen fallen weg. Was bleibt ist Schweigen und die Bereitschaft, auch innerlich alle Erwartungen und Vorstellungen loszulassen. Die Entdeckungsreise in eine intensive Zeit beginnt.
Wir sitzen fünf, sechs Stunden über den Tag verteilt in 25-Minuten-Zeiten gemeinsam im Meditationsraum im Gebet. Exerzitien machen heißt üben. Wir üben, ganz in der Gegenwart zu sein, präsent im Hier und Jetzt. Und wir lösen uns von unseren ichbezogenen Erwartungen und richten uns auf die Gegenwart aus – und damit auch auf die Gegenwart des „Ich bin, der ich bin“. Denn so hat Gott sich im brennenden Dornbusch dem Mose geoffenbart. Auch die Zusage des auferstandenen Christus gilt für uns und für immer: Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Das Verweilen in der Stille macht uns durchlässiger und so manches zeigt sich aus unserer Lebenswirklichkeit. „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt auf dem Weg zum Heil-Sein“, so hat es die Mystikerin Teresa von Avila vor knapp 500 Jahren gesagt. Wenn wir in die Tiefe geführt werden, so werden wir auch mit den Lagerhallen des Unbewussten konfrontiert.
Antonius der Große (251–356), hat sein ganzes Leben in der Wüste verbracht und wurde zum Ratgeber für viele. Er sagt: „Wer in der Einsamkeit sitzt und Stille hat, der ist drei Kämpfen entronnen: dem Kampf mit den Augen, mit den Ohren und mit der Zunge. Doch einen Kampf gibt es zu kämpfen – den Kampf mit dem eigenen Herzen.“ Natürlich geht es da nicht um ein Ausmerzen und Abtöten. Doch es geht um die Konfrontation mit unseren Schatten und all dem, was unerlöst in uns steckt. Der Weg geht weiter, wenn wir auch bereit sind, den Schmerz, der damit verbunden ist, anzunehmen und in die göttliche Gegenwart zu halten. Dort geschieht Wandlung und Heilung.
Teresa von Avila hat auch einmal gesagt: „Wer Gott sucht, soll nur still in sein Inneres schauen. Dort wird er ihn finden. Das Innere des Menschen ist wie ein Kristall, in dessen Mitte Gott wie eine alles durchdringende Sonne wohnt. Das Tun des Menschen wird nicht wirksam, wenn seine Taten nicht aus dieser Mitte stammen.“ In uns gibt es auch ein spirituelles Bewusstsein, eine ganz andere Qualität von Wissen. Es ist Erkenntnis durch Liebe und Intuition. Wenn unser Bewusstsein in diesem Raum des Herzens gründet, so bekommt das Leben eine viel wesentlichere Form des Selbst-Bewusstseins.
Damit sind wir in der sogenannten „Schule des Herzensgebets“. Das JESUS-Gebet wird schon durch Jahrhunderte praktiziert und ist eine einfache und unmittelbare Art des Gebets. Der Name „JESUS CHRISTUS“ fließt mit unserem Atem und so sind wir auf ganz natürliche und ehrfürchtige Weise mit Christus verbunden (siehe auch den Beitrag zum Einstieg in das Gebet hier).
Der heilige Franziskus ist uns Kapuzinern auch da ein großes Vorbild. Von ihm heißt es: „Immer trug er den Namen Jesus auf seinen Lippen“. Diese betende Verbundenheit im stillen Da-Sein vor Gott führt uns zu mehr Gelassenheit und zu einem großen Frieden des Herzens. Das hat eine ganz andere Lebensqualität – und es kann uns wie dem Menschen im Evangelium gehen, der den Schatz im Acker gefunden hat.
Fahr hinaus, wo es tief ist – so sagt es Jesus zu Simon im Lukasevangelium. Und das gilt immer neu für jede und jeden von uns. Wir laden Sie dazu ein!
Text: Br. Rudolf Leichtfried