
FOTO: KAPUZINER/MARIUS JACOBY
BR. Pirmin Zimmermann
wurde 1949 geboren und ist seit 1979 Kapuziner. Er lebt im Kapuzinerkloster in Münster.
„Ich fühle mich verstanden“: Br. Pirmin im Interview
Im August 2024 ist Br. Pirmin Zimmermann 75 Jahre alt geworden. Wie der Kapuziner auf seine Berufung und sein Leben als Missionar blickt, erzählt er im Interview.
Bruder Pirmin, Sie haben vor kurzem Geburtstag gefeiert, ihren 70. Was ist denn eigentlich wichtiger, der Geburtstag oder der Namenstag?
Br. Pirmin Zimmermann: Das ist für mich der Namenstag. Ich habe den Namen Pirmin ganz bewusst beim Eintritt in den Orden gewählt. Heute ist man ja etwas davon ab, einen ganz neuen Namen zu wählen, denn der Taufname steht wieder mehr im Fokus. Aber mir war der neue Name damals wichtig, es war auch ein Zeichen meiner Entscheidung und meiner Umkehr. Ich bin sehr froh darüber und habe meine Wahl nie bereut.
Warum der heilige Pirmin?
Es sollte ein Vorbild aus meiner Heimatregion sein. Der heilige Pirmin hat auf der Insel Reichenau gewirkt – und zum Beispiel die Stadt Pirmasens gegründet. Auch viele Klöster gehen auf ihn zurück. Und er war ein Missionar und Wanderbischof, das passt sehr gut zu mir. Denn ich wollte immer eins sein: Missionar.
Meine Sehnsüchte, und das, was in der Bibel stand, das passte einfach perfekt zusammen.
Wann haben Sie zum ersten Mal Ihre Berufung gespürt?
Ich war schon immer auf der Suche. Ich würde sagen, ich war unruhig. Einen Job hatte ich, ich war 14 Jahre Friseur. Das war mein Beruf, aber nicht meine Berufung. Immer wieder kreisten meine Gedanken: Was will ich machen, befriedigt mich das? Der Weg in einen Orden war dabei nicht so einfach, denn ich bin zwar ein Gefühlsmensch, aber war nie völlig unbefangen als Christ und habe mir schon immer viele Fragen gestellt.
Wie war das, als der Ruf in den Orden dann kam?
Es fing damit an, dass ich viel in der Bibel gelesen habe. Dort ist mir dann alles in die Hände gefallen. Ich habe mich umgeschaut bei charismatischen und evangelikalen Gemeinden. Es wurde immer klarer: Meine Sehnsüchte, und das, was in der Bibel stand, das passte einfach perfekt zusammen. Dennoch fiel mir der entscheidende Schritt dann schwer: Am Anfang habe ich mich fast geschämt, den Gedanken, in einen Orden einzutreten, laut auszusprechen. Doch der Druck und vor allem die Unruhe wurde immer stärker und dann habe ich mich auf den Weg gemacht. Ich kannte die Kapuziner von Stühlingen her, als Bettelbrüder und Almosensammler. Am 17. April 1978 bin ich in Werne ins Postulat eingetreten.
Was war das für ein junger Bruder Pirmin, wollte der schon Missionar werden?
Das war immer mein Wunsch. Schon beim Eintritt hatte ich das kommuniziert – ohne dass jedoch groß darauf reagiert wurde. Später durfte ich im Missionssekretariat mitwirken und meinen Beitrag von Deutschland aus leisten.
Irgendwann wurde nach Missionaren für Mexiko gesucht.
So ist es. Ich habe mich gemeldet – mit zwei anderen Brüdern, Br. Arno und Br. Joachim. Die Provinz hat „ja“ gesagt, und dann sind wir los. Das war im Jahr 1985.
Meine Gottesbeziehung, das ist das, woran ich mich halte. Und zwar ziemlich fest.
Und dann wurden es 23 Jahre.
Ja, eine wunderbare Zeit. Die beste Zeit, die ich als Kapuziner hatte. Was nicht heißt, dass es nun nicht gut ist. Aber Mexiko war so eindrücklich und bewegend, wir waren ein tolles Trio vor Ort.
Wie war Ihr Verständnis von Mission, als Sie losgezogen sind?
Es ging uns um Geschwisterlichkeit. Wir wollten den Menschen auf Augenhöhe begegnen und uns in die Kultur vor Ort einfinden. Nicht die Fehler machen, die viele Missionare vor uns gemacht haben.
Was ist in der Mission wichtig?
Mit viel Toleranz und Verständnis sich auf die Mentalität und das Brauchtum einlassen. Ich habe mir immer gesagt: Ein Missionar muss alles essen und trinken, das Brauchtum mitmachen. Und dann durch sein Handeln das verkünden, was ihn antreibt.
Wie war das, nach 23 Jahren in ein verändertes Land, in einen veränderten Orden, zurückzukommen?
Das war schwer, aber ich muss auch sagen: Ganz war ich nie weg. Es gab immer wieder mal Heimaturlaub, der sehr geholfen hat. Und vor Ort hatte ich einen Weltempfänger. Den habe ich spontan im Flugzeug auf meiner Ausreise nach Mexiko gekauft, und dann hat er mich mit der Deutschen Welle lange Jahre gut begleitet.
„Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“, das ist jeden Tag eine große Aufgabe
Was ist Heimat?
Ich kann mit diesem Begriff nicht so viel anfangen. Ich bin Globalist. Ich habe immer dort, wo ich grade bin, gut gelebt. Wenn die Zeit vorbei war, habe ich auch gut abschließen können und habe neu angefangen. Ich würde es so beantworten: Heimweh hatte ich noch nie in meinem Leben.
Anders gefragt: Wo sind Sie zu Hause?
Die Antwort ist leichter: bei Gott. Meine Gottesbeziehung, das ist das, woran ich mich halte. Und zwar ziemlich fest.
Beschreiben Sie doch mal diese Beziehung.
Totales Vertrauen. Ich rede mit ihm, ich würde es als Freundschaft bezeichnen. Und ich fühle mich verstanden. Das macht mich sehr zufrieden.
Gibt es auch andere Phasen, die des Zweifels?
Ja, natürlich. Ich frage mich manchmal, ob ich das richtige tue. Ich möchte mir nichts vormachen und mich selbst betrügen. Deswegen ist es wichtig, sich selbst zu korrigieren und auch Kritik anzunehmen.
Sind Sie heute im Kapuzinerorden am richtigen Fleck?
Oh ja. Ich wollte immer mit Menschen zu tun haben. Konnte meine Berufung als Missionar leben. Und auch hier in Münster habe ich Aufgaben, die mich erfüllen. „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“, das ist jeden Tag eine große Aufgabe. Ich möchte hier im brüderlichen Leben im Kloster eine Art Stabilisator sein, ein Brückenbauer.
Zum Abschluss: Sie haben am Anfang unseres Interviews von der Unruhe gesprochen, die Sie umgetrieben hat auf der Suche nach Ihrer Berufung. Haben Sie Ihre Ruhe gefunden?
Auf jeden Fall. Ich bin total ruhig. Und das seit dem ersten Moment, als ich die Entscheidung für ein Leben als Kapuziner getroffen hatte.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tobias Rauser