
FOTO: KAPUZINER/LEDERSBERGER
BR. ROMULE SANGOAY
wurde 1979 in Ambanja auf Madagaskar geboren. Er lebt im Kapuzinerkonvent in Salzburg.
Interview mit Br. Romule: „Die Freude teilen“
Br. Romule Sangoay lebt im Kapuzinerkloster Salzburg und arbeitet als Seelsorger im Krankenhaus. Im Interview spricht er über seinen Lebensweg, die Kapuziner-Mission in Madagaskar und seine Mission in Europa.
Br. Romule, Sie leben im Kloster Salzburg. Was machen Sie dort?
Ende 2022 bin ich von der Kapuziner-Gemeinschaft Innsbruck nach Salzburg gewechselt. Ich kümmere mich seither um die Gläubigen im Landeskrankenhaus Salzburg und arbeite dort als Seelsorger. Ich schenke meine Zeit den Patienten. Ich möchte auf sie zuzugehen, ihnen zuhören, sie mit Gebeten unterstützen, sie mit Segen trösten. Kurz: Ich möchte zu jeder Zeit, Tag und Nacht, da sein, wenn ich gebraucht werde.
Wo sind Sie aufgewachsen?
Ich wurde 1979 in Ambanja auf Madagaskar geboren. Dort lebte ich, bis ich 22 Jahre alt war. Dann begann ich meine Reise im Kapuzinerorden und ich verließ meine Heimat.
Wie haben Sie die Kapuziner kennengelernt?
Die Stadt Ambanja liegt in dem Gebiet, um dass sich seit 1933 Kapuziner-Missionare der Provinz Straßburg im Elsass in Frankreich kümmerten. Sie begannen dort als Apostolische Delegation und gründeten eine Diözese. Der erste Bischof war ein Kapuziner, Adolf Mesmer. Ich wurde in der Kathedrale getauft, auch meine Erstkommunion fand dort statt.
Warum sind Sie Kapuziner geworden?
Von klein auf wollte ich Kapuziner und Priester werden. Vor Ort gab es keinen anderen Orden für Männer. In meiner Welt existierten ausschließlich Kapuziner, die die Welt evangelisieren. Deswegen gab es für mich nur einen Schluss: Ich muss Kapuziner werden! Ich bin mit der kapuzinischen Pastoral und ihrem Charisma aufgewachsen. Als ich im Alter von 15 Jahren das Sakrament der Firmung empfing, konnte ich mich schließlich auch im Seminar von diesem Charisma überzeugen.
Sie haben eine internationale Laufbahn und haben etwa in Südafrika gelebt?
Ja, das stimmt. Im Jahr 2005 hatte ich die Möglichkeit, in einer internationalen Gemeinschaft in Südafrika zu leben. Das nannte sich damals „Padre Pio Kapuzinergemeinschaft“, heute heißt es Padre Pio Retreat Centre. Das war in Pretoria, wo ich etwa vier Jahre verbracht habe. Dort konnte ich auch Teile meines Philosophiestudiums zu absolvieren. Die Jahre in Südafrika haben mir die Möglichkeit gegeben, auf verschiedenen Ebenen zu wachsen.
Was war Ihr Antrieb, nach Österreich zu kommen?
Ich bin am 12. November 2019 hierher gekommen, um die Hoffnung des Ordens zu verkünden, der Kirche zu helfen und die Freude mit den Menschen zu teilen.
Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Heimat?
Da muss ich meine Eltern und meine Freunde nennen. Und die besonderen Messfeiern, an denen so viele Menschen teilnahmen. Die Kirche in meiner Heimat ist immer voll.
Was sagen Sie zu Salzburg?
Die Stadt ist bekannt für seine Kultur und sein Erbe der klassischen Musikgeschichte. Natürlich vor allem Mozart. Das gefällt mir sehr, denn es ist mit meinem eigenen Hobby verbunden. Ich mache selber Musik und höre sehr gerne Musik. Verzichten könnte ich auf die engen Gassen der Stadt, in der es fast unmöglich ist, einen Parkplatz zu finden (lacht).
Was hat Sie in Europa am meisten überrascht?
Was mich in Europa am meisten überrascht und gefreut hat: die alten Städte mit ihrem kulturellen Erbe. Alte Kirchen, Schlösser, Straßen, Brücken und viele historische Orte. Ich schätze es sehr, wenn die Erinnerung an das kulturelle Erbe und die Feste auf authentische Weise bewahrt werden.
Die Kapuziner in Österreich haben Missionare nach Madagaskar geschickt. Mit welchem Erfolg?
Im Jahr 1960 gingen die Kapuziner aus der Provinz Nordtirol als Missionare nach Madagaskar. Schon vorher waren Kapuziner der Provinz Straßburg im Land. Dass die Brüder aus Europa Verstärkung brauchten, lag daran, dass die Missionsgebiete viel zu groß waren. Und so wurden die Nordtiroler Kapuziner um Hilfe gebeten. Zwei Brüder nutzten diese Chance, danach kamen noch vier weitere Brüder, darunter einer aus Bayern. Das war aber immer noch nicht genug. Ende 1970 kam auch die Provinz Rom, um die Missionen zu verstärken, der letzte Bruder kam aus der Provinz Fribourg in der Schweiz. Durch die Anwesenheit dieser Brüder entstand die Idee, eine lokale Ausbildung für junge Madagassen anzubieten und zu eröffnen. Und so traten im Jahr 1976/1977 die ersten in das „Kleine Seminar“ und das Postulat ein, 1979 und 1980 ging es mit dem Noviziat los. Die Brüder aus Nordtirol haben im Land großartige Arbeit geleistet.
Und heute, wie geht es dem Orden in Madagaskar?
Die Kapuziner in Madagaskar sind eine lebendige Gemeinschaft. Es leben etwa 200 Brüder in Madagaskar. Wir führen im Land immer noch das „Kleine Seminar“ durch, um jungen Männern die Möglichkeit zu geben, in den Orden einzutreten. Es gibt auch sehr viele Interessenten, aber wir können gar nicht alle aufnehmen, denn dafür fehlt schlicht das Geld.
Schickt heute die Provinz Madagaskar Missionare nach Europa?
Die Provinz Madagaskar kann und würde Brüder nach Europa entsenden. Allerdings muss es dazu auch Provinzen geben, die diese Brüder aufnehmen.
Was können die Österreicher von Madagaskar lernen – und andersherum?
Beide Seiten lernen viel voneinander. Ich nenne einfach mal ein paar Beispiele, natürlich kann man das nicht verallgemeinern. Die österreichischen Brüder lernen von uns viel über Familie, den Geist der Einheit, Freude und Glück. Wir Brüder aus Madagaskar nehmen von unseren österreichischen Mitbrüdern anderes mit: Es geht etwa um das Thema Demut. Aber auch: ehrlich zu sich selbst zu sein, zu schauen, wer man ist. Und letztlich den Bruder dort einzusetzen, wo er sein Charisma leben kann.
Was bedeutet für Sie „franziskanisch leben“?
Ich definiere franziskanisches Leben so: „Wir Brüder leben nach dem Evangelium, für die Menschen, unter den Menschen und bezeugen Christus für die Menschen in der Kirche“.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision für die Kirche in Europa aus?
Ich sehe eine Zukunft der Kirche in Europa – solange die nächste Generation von Priestern die richtigen Antworten auf die Bedürfnisse der Gläubigen gibt. Ich überlasse das der Hand Gottes. Die Kirche ist von Anfang an ein Geheimnis. Das ist meine Hoffnung.
Br. Romule, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tobias Rauser