
FOTO: KAPUZINER
Br. Auguste Agounkpé
ist Kapuziner in Benin und setzt sich dort für die Rechte benachteiligter Kinder ein.
Kampf gegen ritualisierten Kindsmord in Benin
Der Kapuziner Br. Auguste Agounkpé lebt und arbeitet im afrikanischen Benin am Golf von Guinea. Dort setzt er sich für sogenannte „Hexenkinder“ ein, die mit dem Tod bedroht werden. Im Interview erzählt er von Widerständen und der Hoffnung, die ihn antreibt.
Wie begann ihr Einsatz für die sogenannten „Hexenkinder“?
Br. Auguste Agounkpé: Nach einer Einladung der franziskanischen Nicht-Regierungs-Organisation Franciscans International zu einer Schulung zum Thema „Moderne Formen der Sklaverei“ im Oktober 2007 in Genf, wurde das Thema der sogenannten „Hexenkinder“ international thematisiert. Diese Aktion trug dazu bei, die Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken. Wir wollten uns damit aber nicht zufrieden geben und beschlossen im selben Jahr, ein nationales Forum zum Thema der rituellen Kindstötung, sogenannter „Hexenkinder“, zu organisieren. Verschiedenen Institute und Gemeinschaften schlossen sich zusammen, um ihre Aktionen wirksamer zu gestalten und so den Stimmlosen eine Stimme zu geben. Unser Ziel war vor allem, das Recht auf Leben, Überleben und Bildung der Hexerei beschuldigter Kinder zu verteidigen.
Diese Kinder werden getötet oder ausgesetzt.
Ja. Man spricht hier von einem rituellen Kindsmord. Es geht um die Tötung eines Kindes, dessen Geburtsbedingungen gegen die Normen verstoßen, weil sie als böses Zeichen, Fluch oder Hexerei interpretiert werden. Kinder, die in Steißlage, mit den Füßen voran oder mit dem Gesicht voran geboren werden, sind bedroht. Ebenso Kinder mit Zahnbeschwerden, Missbildungen oder Frühgeborene. Sie werden getötet oder ausgesetzt. Vor allem die Stämme der Bariba, Boo und Fulani, die im Norden unseres Landes hauptsächlich von Landwirtschaft und Viehzucht leben, begehen diese Art der Kindstötung.
Sie versuchen, diese Kinder zu retten und ihnen in verschiedenen Einrichtungen eine Zukunft zu ermöglichen. Wie viele Kinder sind derzeit bei Ihnen?
Wir haben in Parakou im Distrikt Tourou das Friedenszentrum „St. Franziskus von Assisi“ errichtet. Das Zentrum wurde am 6. Februar 2025 eröffnet. Wir betreuen dort derzeit 22 Kinder. Dabei handelt es sich nicht nur um sogenannte „Hexenkinder“, sondern auch um Straßenkinder und Kinder mit Behinderungen.
Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie bei der Errichtung zu kämpfen?
Anfangs war es nicht einfach mit meinem Ordens-Oberen, der das Projekt nicht richtig verstand. Ich wurde nicht unterstützt, sondern eher entmutigt. Ich weiß nicht, woher ich die Kraft nahm. Trotz des Widerstands machte ich weiter, bis dann mein Oberer erkannte, was ich tat, und mich in meiner Arbeit unterstützte.
Was ist Ihre Hoffnung für diese Kinder?
Ich wünsche mir, dass diese Kinder eine Zukunft haben, die sie selbst gestalten und aufbauen können. Dass sie eine Familie gründen und für ihre Kinder sorgen können.
Gelingt es Ihnen auch, die vorhandenen Traditionen und Strukturen zu verändern?
Wir arbeiten daran. Es geht darum, die Kultur dieser Gemeinschaften und Stämme durch Sensibilisierungskampagnen zu verändern, die wir jedes Jahr in den Dörfern organisieren, in denen dieses Phänomen auftritt. In den Dörfern treffen wir uns mit den Behörden und dem Bürgermeister. Wir gehen selbst in die Dörfer, um öffentliche Kampagnen durchzuführen. Wir bieten Schulungen an und es gibt eine Hebamme, die alles von der Schwangerschaft bis zur Geburt erklärt. Sie erklärt, was im weiblichen Körper bei der Schwangerschaft passiert. Im Norden arbeiten Frauen auch während der Schwangerschaft auf den Feldern. Sie riskieren, Fruchtwasser zu verlieren. Sie erklärt all das, damit die Frauen verstehen, dass das Kind nicht schuld ist, wenn es eine Position einnimmt, die nicht der traditionellen Vorstellung entspricht. Wir organisieren jedes Jahr ein oder zwei Kampagnen.
Welche Botschaft wollen Sie in die Welt tragen?
Ritualisierter Kindsmord ist eine Realität. Aber er kann besiegt werden, wenn wir nicht aufgeben! Wir werden so lange kämpfen, bis die Tötung von Kindern aufhört – mit Gottes Gnade und dank der Unterstützung vieler Partner, auch aus Deutschland. Dank ihrer Hilfe konnten wir erst unser Zentrum errichten, das die Kinder aufnimmt.
Was würde Franziskus heute zu Ihrer Arbeit sagen?
Der heilige Franz von Assisi stand immer auf der Seite der Armen. Er war die Stimme derjenigen, die man stumm gemacht hat. Er würde sich bestimmt sehr über die Arbeit, die wir, seine Brüder und Schwestern, weltweit leisten, freuen. Wir wollen hier im Norden Benins Kinder retten und ihnen ihre Würde zurückgeben. Wir alle sind Gottes Söhne und Töchter, auch diejenigen, die von der Gesellschaft ausgegrenzt und ausgestoßen werden.
Das Interview führte Br. Jens Kusenberg
