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FOTO: KAPUZINER/ADRIAN MÜLLER

14. Janu­ar 2025

„Brüder des Volkes“ – eine Reform der Reformationszeit

Die Kapu­zi­ner fei­ern 2028 das 500-jäh­ri­ge Jubi­lä­um ihrer Aner­ken­nung. Schon 1525 mach­ten sich die ers­ten Brü­der auf den Weg. Der Kapu­zi­ner Br. Niklaus Kus­ter zeigt die Geschich­te des jüngs­ten Reform­zweigs der Franziskaner. 

Kapu­zi­ner sind «Reform­fran­zis­ka­ner». Ab 1525 mach­ten sich Brü­der aus gro­ßen Klös­tern der Fran­zis­ka­ner in Mit­tel­ita­li­en davon, um wie Fran­zis­kus durch die Lan­de zu wan­dern und wie sei­ne Gefähr­ten Frie­dens­ar­beit zu leis­ten. Denn wie in den jun­gen Städ­ten des Hoch­mit­tel­al­ters klaff­ten auch 300 Jah­re spä­ter die ver­schie­de­nen Gesell­schafts­schich­ten aus­ein­an­der, gerie­ten Men­schen an den sozia­len Rand und erho­ben sich städ­ti­sche Bür­ger über den Bau­ern­stand. Nach wie vor eska­lier­ten Kon­flik­te zwi­schen Clans und Par­tei­en, befeh­de­ten sich Städ­te und Herr­schaf­ten, spra­chen Pre­di­ger über die Köp­fe der Leu­te hin­weg und erreich­ten Men­schen auf dem Land nicht mehr.

Grö­ße­re Kapuzen

Die Refor­mer ver­dan­ken den Namen der grö­ße­ren Kapu­ze. Wäh­rend die Fran­zis­ka­ner zier­li­che Kapu­zen an ihrer Kut­te tra­gen, kehr­ten die ers­ten Kapu­zi­ner zur mar­kan­ten Form zurück, die wan­dern­de Brü­der gegen Regen und Käl­te schütz­te. Im Lauf der ers­ten Jahr­zehn­te ver­brei­te­te sich die Erneue­rung trotz Wider­stand des Mut­ter­or­dens rasant über ganz Ita­li­en. Das Reform­kon­zil von Tri­ent (1545–1563) sah in den zeit­gleich auf­kom­men­den Jesui­ten kraft­vol­le Trä­ger einer neu­en katho­li­schen Bil­dung und in den Kapu­zi­nern Seel­sor­ger, die als Wan­der­pre­di­ger die kirch­li­che Erneue­rung bis in die ent­fern­tes­ten Dör­fer trugen.

Aus­brei­tung in ganz Europa

Bis 1574 gelang es den Fran­zis­ka­nern, die Aus­brei­tung der Reform über Ita­li­en hin­aus durch den Papst ver­bie­ten zu las­sen. Zu groß war die Angst vor der Kon­kur­renz auch in ande­ren Län­dern. Die Kar­di­nä­le Charles von Loth­rin­gen und Car­lo Bor­ro­meo von Mai­land schaff­ten es dann doch, die Grün­dung ers­ter Gemein­schaf­ten nörd­lich der Alpen durch­zu­set­zen. 1580 konn­ten bereits zehn klei­ne Klös­ter in Frank­reich zu den Pro­vin­zen von Paris und Avi­gnon erho­ben wer­den, die schnell über den Nor­den und Süden des Lan­des expan­dier­ten. Zwei Jah­re zuvor hat­ten ers­te Kapu­zi­ner in Spa­ni­en Fuß gefasst. 1581 wan­der­ten fünf Brü­der über den Gott­hard­pass und began­nen, in der Inner­schweiz zu wir­ken. Der jun­ge Reform­or­den erwies sich schnell als wirk­sa­me Kraft in der kirch­li­chen Erneue­rung der katho­li­schen Gebie­te wie auch im Zurück­ge­win­nen evan­ge­li­scher Ter­ri­to­ri­en. Letz­te­res geschah im deut­schen Sprach­raum etwa im Appen­zel­ler­land, in den Herr­schafts­ge­bie­ten der Habs­bur­ger, des baye­ri­schen Erz­her­zogs und der Fürst­bi­schö­fe von Salz­burg und am Rhein.

Volks­seel­sor­ger durch und durch

1600 zähl­te der Reform­or­den bereits rund 700 Klös­ter und 9000 Brü­der. Knapp 100 Jah­re nach Beginn der Reform aner­kann­te Papst Paul V. die Kapu­zi­ner als drit­ten Zweig im Fran­zis­ka­ner­or­den und erklär­te deren Gene­ral­mi­nis­ter zum Nach­fol­ger des hei­li­gen Fran­zis­kus, gleich wie die zwei Gene­ral­mi­nis­ter an der Spit­ze der Kon­ven­tua­len und deren Reform, der brau­nen Fran­zis­ka­ner (Obser­van­ten). Wäh­rend die schwarz geklei­de­ten Kon­ven­tua­len vor allem in gro­ßen Stadt­kon­ven­ten leb­ten, wo sie bedeu­ten­de Kul­tur­trä­ger waren, und die Fran­zis­ka­ner sich zum bedeu­tends­ten Mis­si­ons­or­den in Asi­en und Latein­ame­ri­ka wan­del­ten, wid­me­ten sich die Kapu­zi­ner der Volks­seel­sor­ge. Sie spann­ten im 17. Jahr­hun­dert ein flä­chen­de­cken­des Netz von Klös­tern über wei­te Gebie­te des katho­li­schen Euro­pa, wan­der­ten von ihren länd­li­chen Kon­ven­ten als Pre­di­ger in die umlie­gen­den Pfar­rei­en, seg­ne­ten Gehöf­te und för­der­ten die Reli­gio­si­tät des Vol­kes durch Kreuz­we­ge, Bru­der­schaf­ten und Andach­ten. Volks­schrift­stel­ler ver­fass­ten Kate­chis­men zur Unter­rich­tung der Kin­der, Gebet­bü­cher und spi­ri­tu­el­le Wer­ke. Mar­tin von Cochem (1634–1712), ein Volks­mis­sio­nar aus dem Mosel­ge­biet, schrieb reli­giö­se Bücher für brei­te Krei­se, die drei­hun­dert Jah­re lang Best­sel­ler blieben.

Bet­tel­or­den ohne Lohn

Die beson­de­re Volks­nä­he, die Kapu­zi­ner bis heu­te mit Men­schen aller Schich­ten ver­bin­det, ver­dan­ken sie nicht nur ihrer Seel­sor­ge­ar­beit, son­dern auch ihrer Armut. Als Bet­tel­or­den arbei­te­ten die Brü­der ohne Lohn und durf­ten dafür das Lebens­not­wen­di­ge in den Dör­fern von Haus zu Haus und auf dem Land von Hof zu Hof erbit­ten. Das brach­te sie bis ins spä­te 20. Jahr­hun­dert in die all­täg­li­che Lebens­welt der Men­schen. Brü­der saßen am Küchen­tisch bür­ger­li­cher und bäu­er­li­cher Fami­li­en, tra­ten in fürst­li­che Schlös­ser eben­so wie in länd­li­che Stäl­le und  teil­ten die Freu­den und Sor­gen Armer wie Rei­cher. Seit ihren Anfän­gen stan­den Kapu­zi­ner in Pest­zei­ten den Erkrank­ten bei, wäh­rend Behör­den, Seel­sor­ger und Ange­hö­ri­ge flo­hen. In ita­lie­ni­schen Städ­ten dien­ten die ers­ten Brü­der in den «Spi­tä­lern der Unheil­ba­ren». Kran­ken- und Spi­tal­seel­sor­ge blieb bis in die Gegen­wart einer ihrer Schwer­punk­te. Bis zur Abschaf­fung der Todes­stra­fe beglei­te­ten Brü­der in vie­len Län­dern auch Ver­ur­teil­te zum Galgen.

Sozia­le Pioniere

Über Jahr­hun­der­te haben Kapu­zi­ner an ihren Klos­ter­pfor­ten mit­tags und abends Mit­tel­lo­sen kraft­vol­le Sup­pen und Brot aus­ge­ge­ben: eine Pra­xis, die vie­ler­orts bis heu­te besteht und die in zeit­ge­mä­ßen For­men wei­ter­lebt. So ver­pflegt etwa das City­klos­ter in der Ban­ken­stadt Frank­furt jeden Mor­gen 170 Obdach­lo­se und Armuts­be­trof­fe­ne in sei­nem «Fran­zis­kus­treff». Die Mai­län­der Kapu­zi­ner geben zusam­men mit 1000 Volon­tä­ren in der Ope­ra San Fran­ces­co täg­lich bis zu 2500 Mahl­zei­ten aus und bie­ten Men­schen in pre­kä­rer Lebens­la­ge auch eine Dusch­ge­le­gen­heit, neue Klei­der und Bera­tung durch Sozi­al­ar­bei­tern. Bereits unter dem Son­nen­kö­nig Lou­is XIV. orga­ni­sier­ten die Kapu­zi­ner in Paris und ver­schie­de­nen fran­zö­si­schen Städ­ten die Feu­er­wehr. In der Schweiz wur­de der Bünd­ner Kapu­zi­ner zum Sozi­al­apos­tel im Zeit­al­ter der Indus­tria­li­sie­rung. In Deutsch­land grün­de­te der Kapu­zi­ner Cypri­an Fröh­lich 1889 mit dem Sera­phi­schen Lie­bes­werk eines der größ­ten Sozi­al­wer­ke für Kin­der, und die Schwei­zer Cari­tas ver­dankt ihre Grün­dung 1901 dem Kapu­zi­ner Rufin Steimer.

Mis­si­ons­ar­beit folg­te erst spät

Im Gegen­satz zum Mut­ter­or­den der Fran­zis­ka­ner, die bereits 1294 mit der Mis­si­on in Asi­en began­gen, zwei Jahr­hun­der­te spä­ter mit Kolum­bus in die «Neue Welt» reis­ten und unter dem Erobe­rer Hernán Cor­tés eine india­ni­sche Kir­che in Mexi­ko auf­zu­bau­en began­nen, setzt das brei­te Enga­ge­ment der Kapu­zi­ner in der Welt­mis­si­on spät ein. Im nord­ame­ri­ka­ni­schen Loui­sia­na wirk­ten fran­zö­si­sche Brü­der ab 1622 vier­zig Jah­re, bis Spa­ni­en das Gebiet über­nahm. In die Kari­bik gelang­te der Orden 1633 und ver­tei­dig­te die indi­ge­ne Bevöl­ke­rung gegen Über­grif­fe der Kolo­ni­al­mäch­te. Ers­te Mis­sio­nen in Afri­ka und Asi­en sind ab 1637 greif­bar. Frü­he Ver­su­che in Gui­nea, Sene­gal und Kap­ver­den sowie in Indi­en schei­ter­ten nach weni­gen Jah­ren am Kli­ma oder an den Kolo­ni­al­her­ren. Von lan­ger Dau­er war die kurz dar­auf über­nom­me­ne Mis­si­on in Kon­go und Ango­la sowie in Bra­si­li­en und Vene­zue­la. Die gro­ße Zeit der Kapu­zi­ner­mis­si­on brach jedoch erst im Lau­fe des 19. Jahr­hun­derts an. Der Auf­schwung erstaunt, da Repres­sio­nen gegen die reli­giö­sen Orden seit der Auf­klä­rung, lan­des­wei­te Klos­ter­schlie­ßun­gen im Zuge des Jose­phi­nis­mus, der fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on, der ita­lie­ni­schen Eini­gung und der Kul­tur­kämp­fe auch den Kapu­zi­ner­or­den dras­tisch redu­zier­ten. Zähl­te die­ser im Jahr 1761 über 34.000 Brü­der, schwand die Zahl bis 1883 auf einen Fünf­tel. Kurz vor Mit­te des 19. Jahr­hun­derts eröff­ne­te der Orden in Rom das Mis­si­ons­kol­leg San Fede­le. Die Aus­bil­dungs­stät­te ließ neue Mis­sio­nen in Äthio­pi­en und auf den Sey­chel­len auf­blü­hen und ermög­lich­te den Auf­bau von Mis­sio­nen in neu­en Län­dern Latein­ame­ri­kas, wäh­rend ein Neu­an­fang in Indi­en von Jesui­ten ver­ei­telt wur­de. Unter dem Schwei­zer Gene­ral­mi­nis­ter Ber­nard Chris­ten, der den Orden von 1884 bis 1908 lei­te­te, stieg die Zahl der Brü­der wie­der über 10.000. Neben der Mis­si­ons­be­geis­te­rung sorg­te die Grün­dung von Mit­tel­schu­len und Semi­na­ri­en für vol­le Noviziate.

Stand heu­te gibt es welt­weit knapp 10.000 Kapu­zi­ner, Novi­zen mit­ge­zählt, in 109 Ländern. 

Zum Autor:
Br. Niklaus Kus­ter ist Jahr­gang 1962 und Schwei­zer Kapu­zi­ner. Seit 1984 ist er Kapu­zi­ner. Der Theo­lo­ge befasst sich seit vie­len Jah­ren mit fran­zis­ka­ni­scher Geschich­te und Spi­ri­tua­li­tät und ist Autor zahl­rei­cher Bücher. Er lebt im Kapu­zi­ner­klos­ter in Rapperswil. 

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