

FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
BR. STEFAN WALSER
ist Jahrgang 1980 und ist seit 2006 Kapuziner. Der Priester und Theologe ist Juniorprofessor an der Universität Bonn. Er lebt im Kapuzinerkonvent in Frankfurt am Main.
Namenswahl des Papstes: Br. Franziskus und Br. Leo
Aus Robert Francis Prevost wurde Papst Leo XIV. Br. Stefan Walser blickt mit franziskanischem Blick auf diese Namenswahl: Br. Leo war ein treuer Begleiter des heiligen Franziskus.
Zwischen den Namen Leo und Franziskus gibt es eine tiefe franziskanische Verbindung: Br. Leo war der Vertraute des heiligen Franziskus. Bruder Leo von Assisi war Franziskus ständiger Begleiter auf den Wanderungen, er feierte als Priester mit ihm zusammen die Sakramente. Bruder Leo war es, der als einziger mit auf dem Berg La Verna war, als Franziskus die Wundmale empfing. Für Leo hat Franziskus den Lobpreis Gottes gedichtet, dieses litaneiartige Gebet, das den unsagbaren Schöpfer über alle Maßen und Töne hinaus besingt.
Leo war einer der vertrautesten Mitbrüder von Franziskus, mit dem er vieles besprach. „Schreib, Bruder Leo“, konnte er ihm immer wieder zurufen, der besser Latein konnte und mehr administratives Talent besaß als Franziskus. Weil Br. Leo offenbar ein feineres und friedlicheres Gemüt hatte, als sein Name „Löwe“ nahelegte, gab Franziskus ihm einen Spitznamen und nannte ihn ironisch „Br. Lämmlein“. Mit ihm und noch einem dritten Bruder hat er in der Einsiedelei Fonte Colombo die Ordensregel ausgearbeitet – und Leo musste wieder schreiben. War nicht auch Prevost zuletzt einer der wichtigsten Mitarbeiter in der Kurie, den Papst Franziskus zu sich geholt hatte?
Als eine Art persönliches Testament gibt Franziskus Br. Leo in einem der vielen Gespräche auf dem Weg die Erzählung von der „vollkommenen Freude“ mit. Worüber soll man sich wirklich und ehrlich freuen? Nicht wenn der Orden (die Kirche) groß und erfolgreich wird, sagt Franziskus. Nicht wenn dein Ruhm deinem Namen vorauseilt und dich alle kennen und lieben. Die wahre Freude besteht darin, so die „Lektion“ für Leo, wenn Du bei Konflikten und persönlichen Rückschlägen ruhig bleibst, wenn Du nicht aufgibst, wenn man dich für dumm verkauft, und manches einfach erträgst, ohne zu verbittern. „Ich sage dir: Wenn ich Geduld habe und mich nicht aufrege, dass darin die wahre Freude ist“. Auch das kann man Leo XIV. in diesen Tagen zurufen, dass er ruhig bleibt und nicht den Mut verliert, was in diesem Amt vermutlich leicht möglich ist.
Natürlich ist diese Namensauslegung eine rein franziskanische Assoziation – ob der Augustiner Prevost die franziskanischen Geschichten im Detail kennt, ist ungewiss. Aber für uns Brüder und Schwestern des heiligen Franziskus gibt es so eine schöne Verbindung zu Papst Franziskus und vor allem die Hoffnung, dass das franziskanische Erbe von Papst Franziskus in der Kirche weiterlebt.
In einem kurzen, persönlichen Brief an Br. Leo, den wir im Original besitzen, verweigert der heilige Franziskus seinem treuen Begleiter ausdrücklich einen angefragten Rat. Franziskus schreibt in der Weisheit und Größe eines geistlichen Bruders und Begleiters, Leo möge doch selber herausfinden, auf welchen Wegen es ihm besser scheint, den Fußspuren Jesu und seiner Armut zu folgen. Ich bin sicher, Papst Leo geht seinen Weg.