
FOTO: KAPUZINER/MARIUS JACOBY
BR. MARKUS THÜER
ist Jahrgang 1965 und seit 1987 Kapuziner. Der Priester ist seit 2022 Provinzsekretär der Deutschen Kapuzinerprovinz mit Klöstern in vier Ländern.
Provinzkapitel: „Alle tragen Verantwortung für die Gemeinschaft“
Im Juni findet das Provinzkapitel der Kapuziner statt. Die franziskanischen Ordensleute wählen dort ihre Leitung und treffen wichtige Entscheidungen. Ein Interview dazu mit Provinzsekretär Br. Markus Thüer.
Im Juni findet das Provinzkapitel der Deutschen Kapuzinerprovinz statt. Was ist ein Kapitel?
Das Kapitel ist die oberste Leitungsinstanz der Provinz, ähnlich wie eine Hauptversammlung bei Vereinen und Gesellschaften. Hier kommen Brüder aus den Klöstern der Provinz zusammen, um die Leitung zu wählen und wichtige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
Wie oft findet so ein Kapitel statt – und wer nimmt teil?
Das Kapitel findet alle drei Jahre statt. In diesem Jahr findet es, und das ist anders als in den Jahren zuvor, als sogenanntes „Delegiertenkapitel“ statt. Unsere Provinz hat sich seit dem letzten Kapitel im Jahr 2022 stark verändert. Niederländische und belgische Mitbrüder bilden die Delegation Lage Landen, die ein Teil der Provinz geworden ist. Und auch vier Klöster in Österreich sind als „Delegation Tirol“ zur Provinz dazu gekommen.
Und warum dann Delegiertenkapitel?
Es gibt im Kapuzinerorden zwei Formen, wie ein Kapitel zusammenkommen kann. Entweder als „allgemeines Kapitel“, bei dem alle Brüder der Provinz, die die ewige Profess abgelegt haben, teilnehmen können. Oder als „Delegiertenkapitel“, bei dem diese Brüder Delegierte wählen, die sie dann auf dem Kapitel vertreten. Durch unsere neue Struktur mit immer mehr und immer älteren Brüdern, wird es immer schwieriger, ein offenes Kapitel durchzuführen. Und so haben sich die Brüder in einem Referendum dafür entschieden, ein Delegiertenkapitel zu halten.
Wer wird auf diesem Kapitel gewählt und wie läuft das ab?
Auf dem Kapitel wird eine neue Provinzleitung gewählt. Diese besteht aus dem Provinzial und vier Provinzräten, von denen einer der Stellvertreter des Provinzials, der sogenannte Provinzvikar, wird. Um gewählt zu werden, braucht ein Kandidat die absolute Mehrheit. Drei Wahlgänge sind möglich, im dritten Wahlgang gibt es eine Stichwahl mit den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen haben. Wichtig ist vor allem: Der Provinzial darf nur einmal wiedergewählt werden und hat so eine Amtszeit von maximal sechs Jahren. Und von den vier Räten müssen immer zwei gewählt werden, die in den letzten drei Jahren nicht in der Leitung waren.
Warum sind Führungspositionen in franziskanischen Orden zeitlich begrenzt?
Der heilige Franziskus hat das Leitungsamt als Dienst an den Brüdern verstanden. Und nicht als eine besondere Stellung oder Machtposition. Deshalb nannte er die Oberen auch Diener, auf lateinisch Minister. Eine zeitliche Begrenzung verhindert, dass sich jemand sich zu sehr an eine Führungsrolle gewöhnt oder Strukturen sich verfestigen. Es zeigt sich darin, dass alle Mitbrüder Verantwortung für das Leben und die Ausrichtung der Gemeinschaft tragen. Auch ist es Ausdruck der Brüderlichkeit und des Minderseins, das Franziskus in seiner Regel von den Kapuzinern fordert.
Wie werden wichtige Entscheidungen getroffen im Orden?
Alle Brüder können Themen einbringen, über die auf dem Kapitel gesprochen werden soll. Die geschieht in der Form von Anträgen, über die nach Gesprächen und Diskussionen das Kapitel abstimmt. Dabei herrscht eine große Dynamik: Anträge werden während des Kapitels umformuliert, zurückgezogen, mit anderen Anträgen zusammengefasst oder auch ganz neu gestellt. Die vom Kapitel beschlossenen Entscheidungen sind Vorgaben, die die neue Provinzleitung umsetzen muss.
Was steht auf diesem Kapitel im Fokus?
Die neuen Provinzstrukturen und alles, was damit verbunden ist, stehen sicher im Mittelpunkt der Gespräche. Außerdem beschäftigt uns, dass sich die Provinz mittlerweile über vier Länder erstreckt. Brüder aus elf Nationen arbeiten und leben in der Provinz. Das ist ein großes Geschenk, aber auch eine große Herausforderung. Wie wird und soll sich die Provinz in Zukunft weiterentwickeln? Werden wir uns an einem internationalen Ausbildungsprojekt in englischer Sprache beteiligen? Auch der Name der Provinz ist ein Thema, denn mit Klöstern in Belgien, den Niederlanden und Österreich passt „Deutsche Kapuzinerprovinz“ nicht mehr.
Sie sind jetzt seit drei Jahren Provinzsekretär dieser Provinz: Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Neben der Einarbeitung in die für mich neue Arbeit als Provinzsekretär begann meine Amtszeit mit vielen komplexen und großen Baustellen. Das Kapitel 2022 hat die Weichen für eine Neuaufstellung des Ordens gestellt, eine große Aufgabe. Dabei ging es auch um die Schließung von Klöstern. Diese Schließungen praktisch umzusetzen, das war Teil meiner Arbeit und es ist mir oft schwergefallen. Der Wandel in der Provinz, die neuen Delegationen, das alles erfordert auch Umstellungen in der Verwaltung. Eine Arbeit, die noch nicht abgeschlossen ist. Insgesamt muss ich sagen: Die Arbeit als Provinzsekretär macht mir Freude und ich habe mich auch mit der Großstadt München angefreundet.
Vielen Dank für das Gespräch!