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FOTO: KAPUZINER/LEDERSBERGER

24. Juli 2024

Vier Länder, eine Provinz: „Die Grenzen weiten“

Die soge­nann­te „Deut­sche Kapu­zi­ner­pro­vinz“ ist in den letz­ten Jah­ren geschrumpft und gewach­sen gleich­zei­tig. Brü­der aus vier Län­dern sind in ihr ver­eint. Was bedeu­tet das für die gemein­sa­me Identität?

Genau 974 Kilo­me­ter. Das ist die Stre­cke, die Br. Rudolf Leicht­fried zurück­le­gen muss, um von sei­nem Kapu­zi­ner­klos­ter in Ird­ning in der Stei­er­mark (Öster­reich) zu sei­nen Mit­brü­dern ins Klos­ter Cle­mens­werth im Ems­land (Deutsch­land) zu fah­ren. Nicht viel weni­ger Kilo­me­ter (956) muss er zu sei­nen Brü­dern im nie­der­län­di­schen Klos­ter in Velp zurück­le­gen. Eine Stre­cke mit vie­len Kaf­fee­stopps – etwa in den Klös­tern in Mün­chen, Frank­furt oder Müns­ter. Br. Rudolf arbei­tet mit Brü­dern aus drei Län­dern in einer neu­en Kom­mis­si­on der Pro­vinz dar­an, auf einer immer grö­ßer wer­den­den Flä­che mit immer weni­ger Klös­tern Bezie­hun­gen zu ermög­li­chen. „Wir Kapu­zi­ner in die­ser Pro­vinz haben eine gemein­sa­me Iden­ti­tät, über Län­der­gren­zen hin­weg“, betont Br. Rudolf. „Wir haben alle ein­mal „Ja“ gesagt zu einem Lebens­ent­wurf, der sich am hei­li­gen Franz von Assi­si ori­en­tiert. Die­ses Feu­er müs­sen wir hüten.“

Ohne Begeg­nung geht es nicht
Doch wie hütet man die­ses Feu­er ganz kon­kret? Eine kom­pli­zier­te Auf­ga­be, für jeden Bru­der indi­vi­du­ell und auch für die Lei­tung der neu­en Groß­pro­vinz. Br. Hel­mut Rakow­ski ist der gewähl­te Pro­vin­zi­al und für Nie­der­las­sun­gen in vier Län­dern zustän­dig. Der Kapu­zi­ner betont, wie wich­tig die per­sön­li­che Begeg­nung und trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on für das Zusam­men­wach­sen der Pro­vinz sind. „Für mich ganz kon­kret heißt das: Wir müs­sen noch stär­ker infor­mie­ren und im Aus­tausch sein. Dazu bin ich viel unter­wegs, um vor Ort mit den Brü­dern zu sprechen.“

Wir haben alle ein­mal „Ja“ gesagt zu einem Lebens­ent­wurf, der sich am hei­li­gen Franz von Assi­si ori­en­tiert. Die­ses Feu­er müs­sen wir hüten“

Dass die Ent­fer­nun­gen nun wei­ter sind als frü­her in den regio­nal orga­ni­sier­ten Pro­vin­zen, das ist neu. Doch die Anzahl der Brü­der und der Häu­ser war frü­her grö­ßer. Auch sind digi­ta­le For­ma­te der Zusam­men­kunft und der Infor­ma­ti­ons­ver­tei­lung spä­tes­tens seit Coro­na eta­bliert. Ges­tern wie heu­te gilt: „Die Begeg­nung ist das A & O, um die gemein­sa­me Beru­fung zu leben und das Inter­es­se am Leben des ande­ren zu wecken“, ist Br. Hel­mut überzeugt.

Er nennt ein Bei­spiel: „Ich kom­me gera­de aus Chi­le zurück. Dort leben noch drei Mis­sio­na­re aus unse­rer Pro­vinz, die vor über 50 Jah­ren aus Bay­ern und den Nie­der­lan­den zum Volk der Mapu­che auf­ge­bro­chen sind. Davon habe ich immer reden hören, aber erst jetzt habe ich einen Bezug zu die­sen Brü­dern und den Men­schen dort. Wir müs­sen uns ken­nen­ler­nen, besu­chen, aus­tau­schen. Dann wer­den wir mer­ken, dass wir in ver­schie­de­nen Kon­tex­ten eine gemein­sa­me Iden­ti­tät leben.“

Eine euro­päi­sche Identität?
Jeder Bru­der reagiert sehr indi­vi­du­ell auf die neue Struk­tur der Pro­vinz. Br. Juli­an Pfeif­fer ist der jüngs­te Kapu­zi­ner der Pro­vinz und stu­diert Theo­lo­gie in Salz­burg. Sein Novi­zi­at hat er in Ita­li­en ver­bracht. „Die Fra­ge nach der Iden­ti­tät beschäf­tigt mich schon seit Schul­zei­ten, sie ist wich­tig“, sagt der gebo­re­ne Schwa­be. „Ich füh­le mich als Salz­bur­ger Kapu­zi­ner. Nicht als Deut­scher oder Österreicher.“

Für den jun­gen Ordens­mann lösen sich alte Kon­struk­te und Pro­vinz­tra­di­tio­nen auf – was dazu führt, dass sich die Iden­ti­tät erst ein­mal am jewei­li­gen Ort bil­det. Nichts­des­to­trotz hält Br. Juli­an die Fra­ge nach der euro­päi­schen Iden­ti­tät für wich­tig: „Es geht hier um die grund­le­gen­de Fra­ge nach mei­ner Beru­fung“, sagt er. „Denn so unter­schied­lich alle Kapu­zi­ner sind, so sind wir doch gemein­sam min­de­re Brü­der.“ Dass die Klös­ter in Bel­gi­en und den Nie­der­lan­den genau wie das Klos­ter in Salz­burg zur glei­chen Pro­vinz gehö­ren, kann für den jun­gen Ordens­mann auch ein Vor­teil sein. Denn Br. Juli­an plant, sich für ein Eras­mus-Semes­ter in Bel­gi­en zu bewer­ben – unter ande­rem, um dort eine neue Spra­che zu ler­nen. „Nicht zuletzt kann ich dort auch die Fra­ge klä­ren, ob ich mir vor­stel­len kann, in die­sem Teil unse­rer Pro­vinz zu leben“, sagt er.

So unter­schied­lich alle Kapu­zi­ner sind, so sind wir doch gemein­sam min­de­re Brüder“

Eine euro­päi­sche Erfah­rung macht auch Br. Harald Weber, der als Aus­bil­der im Novi­zi­at in Tor­to­na als ein­zi­ger Deut­scher in einem ita­lie­ni­schen Aus­bil­dungs­team arbei­tet. Er beschäf­tigt sich inten­siv mit der Fra­ge des Zusam­men­wach­sens in Euro­pa. „Eine euro­päi­sche Iden­ti­tät ist ele­men­tar. Doch so etwas lässt sich nicht ver­ord­nen, man wächst da hin­ein“, sagt er. Er per­sön­lich schätzt die neue Pro­vinz­grö­ße. „Ich muss klar sagen: Für mich ist das eine Berei­che­rung, ich mache wun­der­ba­re Erfah­run­gen in der viel­fäl­ti­gen Brü­der­ge­mein­schaft“, sagt Br. Harald. Den­noch sieht auch er wach­sen­de Her­aus­for­de­run­gen, die ein­mal in der Lei­tung des immer kom­ple­xe­ren Gebil­des und auf der ande­ren Sei­te in der feh­len­den regio­na­len Behei­ma­tung ein­zel­ner Brü­der lie­gen (mehr dazu hier im Inter­view).

Neue Kon­stel­la­tio­nen, neue Dynamiken
Dass der Mensch Ver­än­de­run­gen gegen­über häu­fig erst­mal kri­tisch gegen­über­steht, das macht es nicht ein­fa­cher. „Neu­es macht oft Angst. Auch uns Kapu­zi­nern. Dabei geht es vor allem um Sicher­heit, das ist nicht unbe­dingt eine Fra­ge des Alters“, berich­tet Br. Hel­mut. Der Pro­vin­zi­al merkt auf sei­nen Rei­sen aber auch, dass das Zusam­men­fü­gen der ver­schie­de­nen Regio­nen durch­aus neue Dyna­mi­ken her­vor­bringt. „Gewohn­tes wird plötz­lich hin­ter­fragt, neue Teams erar­bei­ten neue Lösungs­an­sät­ze. Wir erle­ben so etwas wie eine erwei­ter­te Schwarm­in­tel­li­genz. Das ist ja die Chan­ce einer Ordens­ge­mein­schaft: Wir zie­hen gemein­sam an einem Strick.“

Die­ser Strick mit den drei Kno­ten ver­weist auf das Ver­bin­den­de: das gemein­sa­me „Ja“ zum Leben als Min­der­bru­der. Br. Rudolf aus Ird­ning for­mu­liert es so: „Kapu­zi­ner zu sein bedeu­tet für mich, ein Gefähr­te des hei­li­gen Franz von Assi­si zu sein. Ich bin fas­zi­niert von der gren­zen­lo­sen Geschwis­ter­lich­keit die­ses Man­nes, die alle Gren­zen weitete.“

Text: Tobi­as Rauser

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