

FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
Bruder Stefan Walser
Wie hast Du Deine Berufung gefunden?
Ich habe an der Uni Münster Theologie studiert und meine damalige WG war nicht so weit weg vom Kapuzinerkloster. Ich habe bei den Kapuzinern einen Ort gefunden, wo ich beten und Gottesdienst feiern kann, wo ich mit jungen und alten Mitbrüdern interessante Gespräche führen kann und wo ich ab und zu einfach auf einen Kaffee nach der Messe eingeladen wurde. Obwohl es damals das Projekt „Kloster für Studierende“ noch nicht gab, habe ich praktisch genau das erlebt. Die Überlegung, ob Ordensleben etwas für mich wäre, trug ich schon länger mit mir herum. Das Kapuzinerkloster Münster war für mich dann ein wichtiger Ort, um diese Frage endlich mal anzugehen. Und nach dem Abschluss des Studiums 2006 bin ich dann kurzerhand Kapuziner geworden.
Warum Kapuziner?
Als Brüder in Gemeinschaft leben; weltweit eine offene Tür und ein Bett finden; die eigenen Stärken und Talente einsetzten können; in einer langen Tradition stehen und gleichzeitig im heute leben; flexibel und spontan sein können; für die Menschen da sein dürfen; keine Zeit für Langeweile haben; Jesus Christus im Fokus haben…
Franz von Assisi?
Ist für mich Bruder, Vorbild, Ratgeber, Lehrer und ein nie zu erreichendes Ideal. Ein Mann, der sehr viel von der Botschaft Jesu verstanden und in die Welt gebracht hat. Ein Mann, der uns heute theologisch, spirituell und politisch noch eine Menge zu sagen hat.
Was machst Du im Orden?
Ziemlich viele interessante Dinge. Ich lebe in unserem großen Kapuzinerkloster in Münster. Dort bin ich als „Junioratsleiter“ für die Ausbildung der jungen Brüder auf dem Weg zur Ewigen Profess zuständig. Ich durfte viele Jahre junge Menschen, die sich für die Kapuziner interessieren, bei ihrer Entscheidung begleiten. Ich bin Priester, feiere gerne Gottesdienste und predige gerne, bin als geistlicher Begleiter tätig. Meine Leidenschaft gilt der wissenschaftlichen Theologie. Ich mag es sehr, mich tief hineinzubohren in Bücher, vermeintliche „Selbstverständlichkeiten“ des Glaubens in Fragen zu stellen und weiterzudenken. Seit September 2022 arbeite ich als Juniorprofessor für Fundamentaltheologie und christliche Identitäten an der Uni in Bonn.
Was möchtest Du verändern in der Welt, in der Du lebst?
Mich ärgern Verallgemeinerungen, pauschale Urteile und Oberflächlichkeiten. Ich möchte daran arbeiten, die Dinge differenzierter, vielfältiger, bunter zu sehen. Als Geistlicher Begleiter ist es das schönste zu erleben, wenn Menschen sich selbst besser kennenlernen und in der Tiefe ihrer Person erkennen und fühlen, was sie sind und sein möchten – und dann eine Entscheidung treffen. Als Theologe besteht das ganze „Geschäft“ darin, ständig Schwarz-Weiß-Malereien zu kolorieren. Gerade wenn wir es mit „Gott“ zu tun haben, meinen wir viel zu schnell, die Sache „im Kasten“ zu haben. Aber hinter jeder Selbstverständlichkeit, die ich nur ein wenig abklopfe, tauchen neue Fragen auf. Ich stoße jeden Tag auf Dinge, die ich noch nie gehört habe, Gedankengänge von denen ich – wenn ich ehrlich bin – bislang keine Ahnung habe. Das macht die theologische Arbeit zu einem sehr demütigen Geschäft. Mich ärgert es, wenn in der Kirche, in der Politik, in der Gesellschaft Leute auftreten und sagen: Ich weiß eh schon Bescheid und habe alles geklärt… Darin sehe ich eine Gefahr und gegen die möchte ich angehen.