Fotos: Hans-Peter Wagner
Abschied der Kapuziner aus Zell (mit Bildergalerie)
Die Kapuziner in Zell am Harmersbach verlassen das Kloster an der Wallfahrtskirche. Ein Bericht von der dankbaren und herzlichen Verabschiedung Ende Mai von Hans-Peter Wagner.
Nach langen Wochen ist Ende Mai der Tag des Abschieds gekommen. Bei herrlichem Sonnenschein, der durch die Chorfenster des Kirche strahlt, und mit vielen Menschen, die den Kapuzinern fröhlich zunicken, als sie in die Wallfahrtskirche zum Abschied einziehen. Das mächtige „Halleluja“, gesungen von den vier Kirchenchören des Tales, erklingt, unterstützt vom MGV Liederkranz Unterharmersbach. Von überall her sind die Gläubigen gekommen, um zu danken und den Kapuzinern an ihrem neuen Wirkungsort Gottes Segen zu wünschen.
Der Provinzial der Deutschen Kapuzinerprovinz, Bruder Helmut Rakowski, begrüßt die Gläubigen und eine lange Reihe von Ehrengästen. Dann brillieren die Chöre unter der bewährten Leitung Wolfram Dreher, erfüllen die Kirche mit festlicher Musik. Die Predigt hält Bruder Helmut. Sein Charisma, das sich in seinen Augen widerspiegelt, nimmt die Kirchenbesucher in ihren Bann. Er erzählt von dem Haus in Mainz, in dem er mit seinen Eltern wohnte, was er fühlt, wenn er heimkam von den Studientagen, und wenn er ging. Heimat ist nie ein Ort allein. Er ist mit Menschen und Erfahrungen verknüpft.
Für viele Kirchenbesucher waren die Wallfahrtskirche und die Kapuziner eine Heimat, die sie regelmäßig aufsuchten. Maiandachten und Wallfahrtstage waren Großereignisse. Auch viele Kapuziner lebten hier gern, fühlten sich wohl und waren hier daheim. Und diese Heimat geht jetzt verloren. Keine Linzertorten mehr, die ab und an der Klosterpforte abgegeben wurden genauso wie das „lokale Weihwasser“ aus Kirschen. Bruder Helmut: „Wir leben seit Jahrzehnten in einer Zeit voller Veränderungen, die Gewohnheiten werden kürzer, unsere Welt ändert sich rasant.“
Br. Helmut, so erzählt er, war schon in den 70-er Jahren hier. Da empfand er Zell und Unterharmersbach viel dörflicher. Was hat sich seither alles verändert? Straßen entstanden, Häuser wurden abgerissen. Neubauten, ganze Siedlungen entstanden. Die Neubaugebiete zeigten, dass vermutlich so viele zugezogen sind, dass das Gemeinschaftsgefüge sich verändert hat. Viele haben längst ihre Heimat in der Kirche verloren. Selbst die Katholiken sind laut Bruder Helmut gespalten, manche klammern sich an Tradition – und immer mehr Menschen brauchen die Kirche überhaupt nicht.
„Wenn wir heute vor der Muttergottes von Zell stehen, dann sind wir vielleicht versucht, ihr zuzurufen: Zerreiße endlich diese Ketten, befreie uns von einer Situation, in der Glaube und Volksfrömmigkeit, die Kirche, zwischen unseren Händen zerbröckeln“, sagte Br. Helmut. „Aber vielleicht will Maria zu den Ketten uns auch sagen, dass wir frei sind? Es zwingt uns keine Tradition, kein gesellschaftlicher Druck, nicht die Frage „Was sagen die Nachbarn“? Wir sind frei! Wir können frei mitmachen, zum Gottesdienst gehen, ihn als Auszeit für die Seele verstehen. Kirche ist nicht nur dort, wo Priester oder Ordensleute versammelt sind, sondern überall, wo zwei oder drei in Christi Namen versammelt sind.“
„Natürlich sind wir alle traurig. Auch wir Kapuziner, besonders die Brüder, die hier bis zuletzt gelebt haben. Aber wir blicken auf diese Ketten, die Maria uns entgegenhält. Ihr seid frei. Im Galaterbrief 5 sagt Paulus: Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“
Minuten langer Beifall in der Wallfahrtskirche folgte. Sie war verdiente Anerkennung und ein herzliches Dankeschön für Br. Helmut, der die Herzen der Besucher mit seiner Predigt tief berührte. Das Zeller Wallfahrer-Lied von allen in der Kirche nach dem Segen gerne gemeinsam gesungen, war ein würdiges Schlusslied eines Gottesdienstes, der bei allen noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Nach dem Gottesdienst lud die Seelsorgeeinheit Zell die Kirchenbesucher in die Schwarzwaldhalle zu Speis und Trank ein. Eine kleine Hauskapelle mit Unterharmersbacher Musikern sorgte für beste Unterhaltung. Auf der Bühne warteten die Gratulanten und Redner.
„Das Kapuzinerkloster prägte über 100 Jahre das kirchliche, seelsorgerische, kulturelle aber auch das gesellschaftliche Leben der Bürger im ganzen Tal. Allen Kapuzinern möchte ich an dieser Stelle für ihr Wirken in den letzten 102 Jahren herzlich danken“, sagte etwa Ortsvorsteher Ludwig Schütze. „Wir sind dankbar für die Jahrzehnte lange Bereicherung christlicher und geistiger Werte, die wir durch Sie erfahren durften, und sagen ein herzliches Vergelt‘s Gott!“, so die stellvertretende Bürgermeisterin Brigitte Stunder.
Den kompletten Artikel von Hans-Peter Wagner mit noch mehr Informationen können Sie hier in der „Schwarzwälder Post“ nachlesen.