

FOTO: KAPUZINER
BR. SIXTUS UND BR. MARINUS PARZINGER
bei einem Besuch in Chile in Villarrica im Jahr 2007
Bischof em. Sixtus Parzinger: Erinnerungen von Br. Marinus Parzinger
Bischof em. Sixtus Parzinger starb am 25. Februar 2023 im Krankenhaus in Lanco in Chile. Ein Nachruf und persönliche Erinnerungen von Br. Marinus Parzinger, Neffe des Bischofs aus Chile.
Für mich als Kind war er ein sehr interessanter Onkel, denn er kam selten und von weit her, nämlich aus Chile, wo er seit 1965 als Missionar lebte und wirkte. Er konnte spannend erzählen. Häufig sagte er „si, si“, wenn er im Gespräch auf andere reagierte. Unverkennbar hatte er seine zweite Heimat längst in Chile gefunden.
Während des Heimaturlaubs besuchte er meist zusammen mit seinem Bruder, Pfarrer Anton Parzinger (mit dem er am 29. Juni 1960 im Dom zu Freising zum Priester geweiht wurde), einerseits Verwandte, aber auch Missionsfreunde, die die Arbeit der Kapuziner in der Araukanie in Chile unterstützen. Bei seinen Besuchen kam er auch in meine Heimatgemeinde.
Er war mir nahe, weil wir den gleichen Taufnamen Josef haben. Als Schüler wurde ich gelegentlich mit meinen Onkels verglichen, was mir nicht angenehm war. Die äußere Ähnlichkeit war nicht zu leugnen, so dass ich als typisches Parzinger-Gesicht eingeordnet wurde. Rückblickend gibt es einiges, was mich mit ihm verbindet und dankbar sein lässt.
Sixtus Parzinger wurde am 21. Dezember 1931 in St. Johann in Tirol geboren. Seine Eltern zogen weiter an den Waginger See (Mühlberg) und schließlich nach Salzburghofen bei Freilassing. Mein Opa und später mein Vater bewirtschafteten den Pfarrhof, also die Landwirtschaft, die zur Pfarrei gehörte. Dort bin ich geboren.
Als mein Interesse für den heiligen Franziskus erwachte, las ich auch über die Arbeit der bayerischen Kapuziner in Chile. Als ich mich für die Kapuziner entschied, kommentierte mein Onkel, dass Berufung einfach in der Familie läge. Dass ich Kapuziner geworden bin, daran hat mein Onkel sicherlich einen Verdienst.
Als Jugendlicher noch unentschlossen über die spätere Berufswahl hat Sixtus meinen Bruder und mich bei einem Besuch sehr direkt angesprochen: Wann kommst Du? Meine Mutter meinte, dass Deutschland auch Missionsland sei, und ich nicht nach Chile gehen müsste. Diese Frage meines Onkels hat mich beschäftigt.
Später erzählte mir ein Ministrant, wie er Sixtus bei seinen Sammelreisen erlebte. Er predigte mitunter lang, direkt und überzeugend: Ich brauche nicht nur euer Geld. Ich brauche euer Gebet und auch Berufungen. Er ist für seine Überzeugungen engagiert eingetreten und hat dafür geworben.
1978 im Dreipäpstejahr wurde er als Nachfolger von Bischof Wilhelm Hartl als apostolischer Vikar in der Araukanie bestellt. Am 5. März 1978 empfing er in der Kathedrale von Villarrica die Bischofsweihe, 25 Jahre später konnte er sein Jubiläum in Altötting St. Anna feiern. Gesellschaftlich wie kirchlich durchlebte Chile turbulente Zeiten. Mein Onkel durfte erleben, dass die Missionsarbeit der Kapuziner ans Ziel kam, als das Apostolische Vikariat zur Diözese Villarrica (2001) erhoben wurde.
Während ich das Abitur in der Spätberufenenschule St. Josef in Fockenfeld bei Konnersreuth nachholte, hat er mich einmal besucht. Es gab eine Art Wettbewerb, weil der Onkel eines Mitschülers, der Franziskanerbischof in Bolivien Eduardo Bösl, ebenfalls einmal unsere Schule besucht hatte.
Während meines Noviziates 1987 bis 88 in Laufen starb P. Willibald Strobl, der einmal das Spätberufenenseminar der Kapuziner in Dillingen geleitet hat. Sixtus war einer seiner Schüler und 1988 gerade in Deutschland, und so stand er dem Requiem vor.
Am 11. Juni 1994 hat Bischof Sixtus mich in der Basilika St. Anna in Altötting zum Priester geweiht. Eine Woche später war er auch bei der Primiz in der Heimat dabei.
Da ich einen Bischof als Onkel hatte und ihn als normalen Menschen erleben durfte, ist für mich ein Bischof kein unnahbarer Mensch. Drei Mal durfte ich nach Chile reisen, zwei Mal war der Anlass ein Jubiläum. Dabei konnte ich viel erleben von dem, was ich zuvor nur aus Büchern kannte. Ich sah, wie man ohne Termin im Bischofshaus vorbeikommen kann, um mit dem Bischof zu sprechen. Die Feiern in der Vorbereitung auf die Jahrtausendwende zeigten ihn mitten unter den Menschen.
Wenn wir aktuelle kirchliche Herausforderungen ansprachen, war seine Sicht, dass man gut hinschauen und die Entwicklung abwarten solle: an den Früchten werdet ihr sie erkennen.
Am 21. Dezember 2006 wurde Bischof Sixtus 75 Jahre alt und musste in Rom das Rücktrittsgesuch einreichen. Das tat er 2007. Er musste noch ein paar Jahre warten, bis dieses angenommen wurde. 2009 ging er in den verdienten Ruhestand. Er machte seinem Nachfolger Platz und zog sich nach San Jose de la Marequina zurück. Dort besuchte ich ihn im Januar 2020. Wir fuhren an die Küste bei Mehuin. Wie er von den Menschen sprach, machte mir wieder deutlich, dass er hier sein Zuhause gefunden hat. Freunde unterstützten ihn, nahmen ihn mit, weil er selber nicht mehr mit dem Auto fuhr. Am Abend hielt er die Vorabendmesse in der Pfarrei Santa Cruz. Etliche Familien mit Kindern waren da. Nach der Eucharistiefeier fand noch eine Taufe statt. Ich staunte über seine Ausdauer.
Mit Corona gab es für ältere Menschen deutliche Einschränkungen. Sixtus siedelte um und lebte bei den Schwestern in Purulón.
Die Arbeit eines Missionars und Missionsbischofs ist vielfältig. Der Verwaltungsapparat ist überschaubar. Die Nähe zu den Menschen ausschlaggebend. In Gesprächen sprach er durchaus von der Krise des Glaubens und einem Weg der Erneuerung, der nicht möglich ist ohne Gebet.
Gesundheitlich hatte er einige Krisen zu bestehen: Nierenversagen, Herzprobleme. Vielen, die für ihn gebetet haben, galt seine Gesundung vor Jahren als Wunder.
Gemäß seinem Wahlspruch „ad aedificationem fidei“ – „zur Auferbauung des Glaubens“ – ging es ihm darum, Menschen im Glauben zu stärken. Er bewahrte sich Gottvertrauen und Gelassenheit, er handelte in Zuversicht und Hoffnung.
Text: Br. Marinus Parzinger