Interview

FOTO: KAPUZINER/RAUSER

BR. FRANZ BEER

ist Jahr­gang 1952 und trat 1985 in den Kapu­zi­ner­or­den ein. Er lebt in Cle­mens­werth im Emsland. 

22. Novem­ber 2023

„Etwas aus der nicht sichtbaren Welt in unsere Welt hereinbringen“

Br. Franz Beer zeich­net Iko­nen. Was „Iko­nen“ sind, ob manch­mal jemand anders den Pin­sel führt und wie er zum Iko­nen­ma­len gekom­men ist, sagt der Kapu­zi­ner aus Cle­mens­werth im Interview. 

Was ist eine Ikone?
Br. Franz Beer: Das Wort „Iko­ne“ kommt von dem alt­grie­chi­schen „εἰκών“, also „eikón“. Die­ses grie­chi­sche Wort bedeu­tet „Bild“ im wei­tes­ten Sin­ne. Ein Eikon ist etwas Geschaf­fe­nes, das etwas Ande­rem gleicht: also ein Bild, eine Abbil­dung, ein Eben­bild. Im Bereich der Ost­kir­chen, ins­be­son­de­re der ortho­do­xen Kir­chen des byzan­ti­ni­schen Ritus, wur­de die Bedeu­tung des Wor­tes „eikón“ auf das reli­giö­se-christ­li­che Bild ein­ge­engt, ohne dass dadurch im Grie­chi­schen die umfas­sen­de Bedeu­tung von „Bild“ ver­lo­ren ging. Um zu ver­ste­hen, was Iko­nen sind, muss man sich mit der ortho­do­xen Glau­bens- und Lebens­welt ver­traut machen und auf sie einlassen.

Gibt es eine fest­ge­leg­te Struk­tur einer Ikone?
Iko­nen fehlt jede natu­ra­lis­ti­sche Struk­tur und sie sind voll­ge­packt mit sym­bo­li­schen Ele­men­ten ver­schie­dens­ter Art. Iko­nen sind grund­sätz­lich zwei­di­men­sio­nal gemalt. Per­so­nen auf Por­trai­ti­ko­nen wer­den immer in Fron­tal­sicht dar­ge­stellt, ein Halb­pro­fil oder Pro­fil fin­det man nur auf sze­ni­schen Iko­nen. Die Kör­per­tei­le und die Pro­por­tio­nen gan­zer Figu­ren wer­den nach bestimm­ten Vor­ga­ben gemalt. Grund­le­gen­de geo­me­tri­sche Sym­bo­le sind Kreis, Vier­eck, Drei­eck, Rhom­bus, acht­zacki­ger Stern und Git­ter­struk­tu­ren. Im Lau­fe der Zeit hat sich eine Farb­sym­bo­lik her­aus­ge­bil­det, deren Sym­bol­aus­sa­ge aller­dings gebun­den ist an das Ver­ständ­nis der Glaubens‑, Gesin­nungs- und Kul­tur­ge­mein­schaft in unse­rem Fall der Ost­kir­chen. Auf­fäl­lig für Iko­nen ist das Feh­len der Zen­tral­per­spek­ti­ve. Typisch für Iko­nen ist die umge­kehr­te Per­spek­ti­ve und die Bedeu­tungs­per­spek­ti­ve. Eine Iko­ne kennt auch kei­ne von Außen kom­men­de Beleuch­tung. Eine gut gemal­te Iko­ne erweckt den Ein­druck, als käme das Licht aus der Iko­ne selbst.

War­um gucken die Hei­li­gen auf den Iko­nen so streng?
Ich fin­de nicht, dass sie streng schau­en. Dar­stel­lun­gen von Sen­ti­men­ta­li­tät, Gefüh­len, Lei­den­schaf­ten und Gemüts­zu­stän­den sind bei Iko­nen aller­dings fehl am Platz. Das Ant­litz der dar­ge­stell­ten Per­son muss etwas von der Tran­szen­denz, etwas von der Welt Got­tes, durch­schei­nen lassen.

Einen Franz von Assi­si könn­te man sich doch durch­aus auch lachend vorstellen?
Es geht bei der Iko­nen­ma­le­rei nicht dar­um, einen Men­schen natu­ra­lis­tisch dar­zu­stel­len. Es soll etwas dar­ge­stellt wer­den, das im Grun­de gar nicht dar­stell­bar ist. Iko­nen sind gemal­te Fröm­mig­keit, bild­haf­te Ver­kün­di­gung, Bild gewor­de­ne Theo­lo­gie. Sie sind etwas ganz ande­res als die Hei­li­gen­bil­der im Herr­gotts­win­kel eines from­men katho­li­schen Hauses.

Was für Far­ben nut­zen Sie?
Der Begriff Far­ben ist mehr­deu­tig. Wenn die flüs­si­ge Sub­stanz gemeint ist, mit der Iko­nen gemalt wer­den, dann setzt sich die­se Far­be aus farb­ge­ben­den, in Flüs­sig­keit unlöß­li­chen Fest­kör­per­teil­chen, soge­nann­ten Pig­men­ten, und dem Eigelb als Bin­de­mit­tel und Was­ser, mit dem der gan­ze „Brei“ ver­dünnt wird, zusam­men. In wel­chem Ver­hält­nis die drei Kom­po­nen­ten mit­ein­an­der gemischt wer­den ist abhän­gig von der Art und Beschaf­fen­heit des Pig­ments, der Beschaf­fen­heit des Eigelbs und der Mal­wei­se. Bezüg­lich der Mal­wei­se kann in Tro­cken­pin­sel­tech­nik oder nass in Pfüt­zen­tech­nik gemalt werden.

Wie sind Sie zum Iko­nen­ma­len gekommen?
Zum ers­ten Mal kam ich anläss­lich des Besuchs eines Oster­got­tes­diens­tes in der Kathe­dra­le der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che in Ber­lin mit Iko­nen in Kon­takt. Vie­le Jah­re spä­ter im Jah­re 2003 kam ich auf die Idee, ich könn­te ja selbst ein­mal eine Iko­ne malen. Nach dem ers­ten beschei­de­nen Ver­such habe ich mich ent­schlos­sen wei­ter­zu­ma­chen. Eine Iko­nen­mal­schu­le konn­te ich nicht besu­chen, aber dafür habe ich im Lau­fe von fünf­zehn Jah­ren 23 Mal­kur­se bei sie­ben Iko­nen­ma­le­rin­nen und ‑malern besucht.

Was bedeu­tet Ihnen per­sön­lich das Ikonenmalen?
Das kann ich gar nicht erklä­ren, ich fin­de da kei­ne Wor­te. Wenn ich sage: Es ist eine Lei­den­schaft, dann ist das zu wenig. Es ist eine Beschäf­ti­gung, die ein­fach stim­mig ist.

Sie haben ein­mal gesagt: „Hin­ter einer Iko­ne steckt eine Wirk­lich­keit“. Was bedeu­tet das?
Es gibt nicht nur die gewöhn­li­che, unse­ren Sin­nen oder tech­ni­schen Hilfs­mit­teln, zugäng­li­che Welt, son­dern die Welt des Über­sinn­li­chen, des Hei­li­gen, des Gött­li­chen. Als Iko­nen­ma­ler ver­su­che ich, etwas aus die­ser nicht sicht­ba­ren Welt in unse­re Welt her­ein­zu­brin­gen. Iko­nen sind dabei nicht ein Medi­um, durch das ich hin­durch­schaue in die ande­re Welt, son­dern es ist genau umge­kehrt. Die tran­szen­den­te Welt kommt auf mich zu.

Führt manch­mal jemand anders den Pinsel?
Das ist eine gute Fra­ge. Wenn ich am Ende eine fer­ti­ge Iko­ne betrach­te, dann bin ich manch­mal schon sehr über­rascht, was da zustan­de gekom­men ist. Ich möch­te nicht behaup­ten, dass es jemand anders gemalt hat. Ich kann aber auch nicht behaup­ten, dass es allein mein Werk war. Viel­leicht war der Hei­li­ge dar­an beteiligt.

Wie kann man sich das kon­kret vor­stel­len: Ist das Iko­nen­ma­len ein Hand­werk, eine Medi­ta­ti­on, ein Gebet?
Das Iko­nen­ma­len ist sowohl ein Hand­werk als auch Medi­ta­ti­on und Gebet.

Wel­che Eigen­schaf­ten braucht ein Ikonenmaler?
Ein Iko­nen­ma­ler muss sich mit der Iko­nen­theo­lo­gie der ortho­do­xen Kir­che beschäf­ti­gen. Sonst malt er ein­fach nur ein Bild. Auf den hei­li­gen Kon­zi­li­en wur­de fol­gen­des fest­ge­legt: »Der Maler soll fried­lie­bend, demü­tig und fromm sein. Er soll nicht leicht reden oder Spä­ße machen, nicht streit­süchtig oder gehäs­sig sein. Zu sei­nem eige­nen Heil soll er die Rein­heit der See­le und des Lei­bes bewah­ren (…). Er soll sich Rat bei sei­nem Beicht­vater holen und gemäß des­sen Beleh­rung bei Fas­ten und Beten ent­halt­sam und demü­tig, ohne Unge­zo­gen­heit und Schan­de lebend, mit gro­ßem Eifer und mit Hin­gebung die Bil­der unse­res Herrn Jesus Chris­tus und sei­ner reins­ten Mut­ter, der hei­li­gen Pro­phe­ten, Apos­tel, Mär­ty­rer, seli­gen Frau­en, der Hohen­pries­ter und seli­gen Väter malen.«

Zum Schluss: Heißt es jetzt eigent­lich Iko­nen­ma­len oder Ikonenschreiben?
Im Grie­chi­schen ver­wen­det man für rit­zen, gra­vie­ren, malen und schrei­ben ein und das­sel­be Wort. Näm­lich „graphein“. Im Deut­schen unter­schei­det man zwi­schen Malen und Schrei­ben. Hand­werk­lich betrach­tet ist die Her­stel­lung einer Iko­ne ein Mal­vor­gang. Zu beden­ken ist aller­dings: Ähn­lich wie das Evan­ge­li­um einen höhe­ren Stel­len­wert hat als die übri­gen bibli­sche Schrif­ten, so ver­hält es sich mit Iko­nen im Ver­gleich zu ande­ren reli­giö­sen Bil­dern. Um die­sen Unter­schied unver­kenn­bar zu machen, spricht man vom Iko­nen­schrei­ben. Der Aus­druck Iko­nen­ma­len bezeich­net ledig­lich einen hand­werk­li­chen Vor­gang, ohne den Unter­schied zwi­schen einer Iko­ne und einem ande­ren Bild deut­lich zu machen.

Vie­len Dank für das Gespräch!

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