Interview

FOTO: KAPUZINER/RAUSER

BR. KARL-MARTIN GORT

wur­de 1942 in Göfis gebo­ren. 1963 trat er in den Kapu­zi­ner­or­den ein und wur­de 1970 zum Pries­ter geweiht. Zur­zeit lei­tet der Ordens­mann das Kapu­zi­ner­klos­ter in Feld­kirch im öster­rei­chi­schen Vor­arl­berg. Dort liegt auch die Haupt­re­li­quie des hei­li­gen Fide­lis von Sigmaringen.

13. Juli 2023

Fidelis von Sigmaringen: „Das war die Tragik seines Lebens“

Der hei­li­ge Fide­lis wird von vie­len Men­schen ver­ehrt. Br. Karl-Mar­tin Gort aus Feld­kirch spricht im Inter­view über die poli­ti­schen Umstän­de, die Reli­qui­en­ver­eh­rung und sei­ne per­sön­li­che Bezie­hung zu Fidelis.

Br. Karl-Mar­tin, wenn Sie jeman­dem in einer Minu­te erklä­ren müss­ten, wer Fide­lis von Sig­ma­rin­gen war, wie gin­ge das?
Fide­lis von Sig­ma­rin­gen war in Feld­kirch ein Mann der ers­ten Stun­de, er leb­te in einer Zeit des Auf­bruchs. Die Kapu­zi­ner ent­stan­den ja 1528 in Ita­li­en, um 1610 ist Fide­lis zum ers­ten Mal von der Schweiz nach Feld­kirch gekom­men. Der Ordens­mann hat hier die Men­schen als guter und flei­ßi­ger Pre­di­ger stark beein­druckt, die Pre­digt war damals eines der „Haupt­ge­schäf­te“ von uns Kapu­zi­nern. Auch aus die­sem Grund beschloss der Gemein­de­rat hier vor Ort, ein Klos­ter zu bau­en. Es ist das Klos­ter, in dem wir hier sit­zen und die­ses Inter­view füh­ren. Fide­lis war in den letz­ten zwei Jah­ren sei­nes Lebens Guar­di­an hier. Er wur­de von Rom beauf­tragt, zu den Refor­mier­ten zu gehen und sie wie­der zum katho­li­schen Glau­ben zurück­zu­ho­len. Er war also Mis­sio­nar. Ursprüng­lich war er Jurist und sehr sprach­be­gabt. In sei­nem Leben sind Poli­tik und Reli­gi­on eng ver­quickt, das war auch die Tra­gik sei­nes Lebens.

Wie ist Fide­lis gestorben?
Er lief unter dem Schutz von Habs­bur­ger Sol­da­ten nach See­wis und hielt in einer Kir­che vor Refor­mier­ten eine Pre­digt. Auf der Brüs­tung lag dann angeb­lich ein Zet­tel „Du wirst heu­te zum letz­ten Mal pre­di­gen“. So kam es. Vor der Kir­che wur­den er und eini­ge Sol­da­ten erschlagen.

Ich erken­ne bei ihm Ele­men­te, die mit Fana­tis­mus und Zwang zu tun haben, das stößt mich ab. Was mich sehr beein­druckt: sei­ne Uner­schro­cken­heit und die kla­re Linie.

Sie haben die „Tra­gik sei­nes Lebens“ ange­spro­chen. Wor­in bestand diese?
Er war von der „Pro­pa­gan­da Fide“, also der „Kon­gre­ga­ti­on für die Ver­brei­tung des Glau­bens“ beauf­tragt, refor­mier­te Chris­ten zurück zum Katho­li­zis­mus zu holen. Er trug ihnen Kate­chis­mus und Leh­re vor, da war wenig Platz für Dis­kurs. Außer­dem muss man wohl sein Wir­ken in Ver­bin­dung sehen mit der poli­ti­schen Situa­ti­on der dama­li­gen Zeit. Das Habs­bur­ger Reich ver­stand sich als Schutz­herr für die katho­li­sche Kir­che und die Gegend in Grau­bün­den, in der Fide­lis als Mis­sio­nar tätig war, war eine Bar­rie­re, um das Habs­bur­ger Reich vom Nor­den mit Ita­li­en, wo auch Habs­bur­ger waren, in Ver­bin­dung zu brin­gen. Des­we­gen galt es, in Grau­bün­den einen Durch­bruch schaf­fen und man argu­men­tier­te mit der Reli­gi­on, um sich poli­tisch durchzusetzen.

Der dama­li­ge Streit scheint selbst heu­te noch nicht ganz über­wun­den. Wie gehen die Kapu­zi­ner damit um?
Wir haben in Feld­kirch Ver­bin­dung mit der evan­ge­li­schen Gemein­de auf­ge­nom­men. Wir sind im Aus­tausch, es ist eine ande­re Zeit. Aber Sie haben Recht, das The­ma ist noch immer da, selbst 400 Jah­re spä­ter. Des­we­gen sind wir zum Jubi­lä­um vor eini­ger Zeit einen Ver­söh­nungs­weg gelau­fen, hier aus Feld­kirch zu Fuß nach See­wis. Dort ist uns eine Grup­pe von der refor­mier­ten Gemein­de ent­ge­gen­ge­kom­men und wir haben gemein­sam gefei­ert. Das war alles sehr echt, ich war sehr beeindruckt.

Taugt der Hei­li­ge Fide­lis vor die­sem Hin­ter­grund zum Vorbild?
Ja, das emp­fin­de ich so. Ich muss aller­dings sagen, dass es für mich ein län­ge­rer Weg war hin zu die­sem Ver­ständ­nis. Ich erken­ne bei ihm Ele­men­te, die mit Fana­tis­mus und Zwang zu tun haben, das stößt mich ab. Was mich sehr beein­druckt: sei­ne Uner­schro­cken­heit und die kla­re Linie, die er von Anfang bis zum Ende gelebt hat. Er hat als Jurist gear­bei­tet, sich für die Ärms­ten ein­ge­setzt. Er kämpf­te gegen das Unrecht sei­ner Zeit. In sei­ner Fami­lie gab es reli­giö­se Ver­un­si­che­rung, die Sicher­heit hat er sich offen­bar durch den Ein­tritt bei den Kapu­zi­nern geholt. Da hat er sich fest­ge­macht. Und das ist sicher auch der Hin­ter­grund für sei­ne Stur­heit, mit der er sei­ne Linie ver­tre­ten hat. 

Heu­te sind Reli­qui­en Erin­ne­rungs­stück an das Hei­li­ge. Wir Men­schen sind sinn­li­che Wesen und kön­nen nicht nur von Ideen und Theo­rien leben. Ich kann das gut ver­ste­hen, mir geht es auch so.

Wie wür­den Sie Ihre per­sön­li­che Bezie­hung zu die­sem Hei­li­gen beschreiben?
Ich stam­me hier aus der Gegend und habe von Anfang an eine gewis­se Nähe zu Fide­lis. Je mehr ich mich mit ihm beschäf­tigt habe, des­to inter­es­san­ter wur­de er für mich. Er ist ein sper­ri­ger Typ, kein from­mer Hei­li­ger. Gera­de das gefällt mir und sagt mir: Du darfst auch Feh­ler machen und kannst trotz­dem ein Leben mit Jesus füh­ren. Das ist für mich das The­ma: Jesu nach­zu­fol­gen. Hier ori­en­tie­re ich mich an Fide­lis, Schritt für Schritt. Wir ver­tei­len ger­ne Kärt­chen mit einem Spruch von Fide­lis: „Lie­ber Gott, gib mir das Geschenk, dass ich nie jeman­den ver­ur­tei­le, auch wenn er noch so schlimm mit mir umgeht oder mir Böses tut, dass ich das Wohl­wol­len behal­ten kann.“ Das war sei­ne Devi­se und das ist brand­ak­tu­ell. Da geht es um Kom­mu­ni­ka­ti­on, um Wert­schät­zung im Umgang. Das ist Richt­schnur für mich persönlich.

Sie haben es kurz anklin­gen las­sen: In der Bio­gra­phie des Hei­li­gen fin­det sich auch der Ein­satz als Anwalt für die Armen. Stich­wort „Advo­kat der Armen.“
Ja, das war auch eine Stär­ke von ihm. Er sah, wie die Armen vor Gerich­ten benach­tei­ligt wur­den, er setz­te sich enga­giert ein. Schließ­lich been­de­te er sei­ne Anwalts­tä­tig­keit, denn er glaub­te, dass er als Kapu­zi­ner mehr für die Armen tun könn­te. Der hei­li­ge Fide­lis ist nach­weis­lich mit zahl­rei­chen Not­la­gen in Berüh­rung gekom­men und hat sich tat­kräf­tig eingesetzt. 

Vie­le Men­schen ver­eh­ren den hei­li­gen Fide­lis, hier in Feld­kirch wird das Haupt des Hei­li­gen auf­be­wahrt. Wie ist Ihre Erfah­rung: Kön­nen Men­schen heu­te noch etwas mit Reli­qui­en anfangen?
Das ist eine wich­ti­ge und schon sehr alte Fra­ge. Sie geht auch auf die Refor­ma­ti­on zurück, denn Mar­tin Luther hat sich gegen den Reli­qui­en­kult, wie er damals prak­ti­ziert wor­den ist, hef­tigst gewehrt. Damals war das ein Geschäft, und das hat vie­le Men­schen abge­sto­ßen. In der katho­li­schen Kir­che ist der Reli­qui­en­kult Teil unse­rer Geschich­te geblie­ben. Heu­te sind Reli­qui­en Erin­ne­rungs­stück an das Hei­li­ge. Dadurch wird das The­ma greif­ba­rer. Wir Men­schen sind sinn­li­che Wesen und kön­nen nicht nur von Ideen und Theo­rien leben. Ich kann das gut ver­ste­hen, mir geht es auch so.

Ein­mal pro Woche gibt es hier in Feld­kirch den Segen mit dem Fidelishaupt.
Ja. Unse­re Reli­quie hier ist eine Berüh­rungs­re­li­quie. Wenn Men­schen kom­men und den Segen wol­len, dann wird Ihnen das Haupt des hei­li­gen Fide­lis auf den Kopf gesetzt. Es geht dar­um, dem Hei­li­gen nahe zu sein. Und die Men­schen kön­nen etwas damit anfan­gen: Unse­re Kir­che ist immer am Mitt­woch um 9 Uhr bis zum letz­ten Platz gefüllt. Alle die­se Men­schen ver­trau­en dar­auf, von Fide­lis Hil­fe zu erfah­ren. Ich übri­gens auch!

Br. Karl-Mar­tin, vie­len Dank für das Gespräch! 

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