FOTO: KAPUZINER/RAUSER
BR. KARL-MARTIN GORT
wurde 1942 in Göfis geboren. 1963 trat er in den Kapuzinerorden ein und wurde 1970 zum Priester geweiht. Zurzeit leitet der Ordensmann das Kapuzinerkloster in Feldkirch im österreichischen Vorarlberg. Dort liegt auch die Hauptreliquie des heiligen Fidelis von Sigmaringen.
Fidelis von Sigmaringen: „Das war die Tragik seines Lebens“
Der heilige Fidelis wird von vielen Menschen verehrt. Br. Karl-Martin Gort aus Feldkirch spricht im Interview über die politischen Umstände, die Reliquienverehrung und seine persönliche Beziehung zu Fidelis.
Br. Karl-Martin, wenn Sie jemandem in einer Minute erklären müssten, wer Fidelis von Sigmaringen war, wie ginge das?
Fidelis von Sigmaringen war in Feldkirch ein Mann der ersten Stunde, er lebte in einer Zeit des Aufbruchs. Die Kapuziner entstanden ja 1528 in Italien, um 1610 ist Fidelis zum ersten Mal von der Schweiz nach Feldkirch gekommen. Der Ordensmann hat hier die Menschen als guter und fleißiger Prediger stark beeindruckt, die Predigt war damals eines der „Hauptgeschäfte“ von uns Kapuzinern. Auch aus diesem Grund beschloss der Gemeinderat hier vor Ort, ein Kloster zu bauen. Es ist das Kloster, in dem wir hier sitzen und dieses Interview führen. Fidelis war in den letzten zwei Jahren seines Lebens Guardian hier. Er wurde von Rom beauftragt, zu den Reformierten zu gehen und sie wieder zum katholischen Glauben zurückzuholen. Er war also Missionar. Ursprünglich war er Jurist und sehr sprachbegabt. In seinem Leben sind Politik und Religion eng verquickt, das war auch die Tragik seines Lebens.
Wie ist Fidelis gestorben?
Er lief unter dem Schutz von Habsburger Soldaten nach Seewis und hielt in einer Kirche vor Reformierten eine Predigt. Auf der Brüstung lag dann angeblich ein Zettel „Du wirst heute zum letzten Mal predigen“. So kam es. Vor der Kirche wurden er und einige Soldaten erschlagen.
Ich erkenne bei ihm Elemente, die mit Fanatismus und Zwang zu tun haben, das stößt mich ab. Was mich sehr beeindruckt: seine Unerschrockenheit und die klare Linie.
Sie haben die „Tragik seines Lebens“ angesprochen. Worin bestand diese?
Er war von der „Propaganda Fide“, also der „Kongregation für die Verbreitung des Glaubens“ beauftragt, reformierte Christen zurück zum Katholizismus zu holen. Er trug ihnen Katechismus und Lehre vor, da war wenig Platz für Diskurs. Außerdem muss man wohl sein Wirken in Verbindung sehen mit der politischen Situation der damaligen Zeit. Das Habsburger Reich verstand sich als Schutzherr für die katholische Kirche und die Gegend in Graubünden, in der Fidelis als Missionar tätig war, war eine Barriere, um das Habsburger Reich vom Norden mit Italien, wo auch Habsburger waren, in Verbindung zu bringen. Deswegen galt es, in Graubünden einen Durchbruch schaffen und man argumentierte mit der Religion, um sich politisch durchzusetzen.
Der damalige Streit scheint selbst heute noch nicht ganz überwunden. Wie gehen die Kapuziner damit um?
Wir haben in Feldkirch Verbindung mit der evangelischen Gemeinde aufgenommen. Wir sind im Austausch, es ist eine andere Zeit. Aber Sie haben Recht, das Thema ist noch immer da, selbst 400 Jahre später. Deswegen sind wir zum Jubiläum vor einiger Zeit einen Versöhnungsweg gelaufen, hier aus Feldkirch zu Fuß nach Seewis. Dort ist uns eine Gruppe von der reformierten Gemeinde entgegengekommen und wir haben gemeinsam gefeiert. Das war alles sehr echt, ich war sehr beeindruckt.
Taugt der Heilige Fidelis vor diesem Hintergrund zum Vorbild?
Ja, das empfinde ich so. Ich muss allerdings sagen, dass es für mich ein längerer Weg war hin zu diesem Verständnis. Ich erkenne bei ihm Elemente, die mit Fanatismus und Zwang zu tun haben, das stößt mich ab. Was mich sehr beeindruckt: seine Unerschrockenheit und die klare Linie, die er von Anfang bis zum Ende gelebt hat. Er hat als Jurist gearbeitet, sich für die Ärmsten eingesetzt. Er kämpfte gegen das Unrecht seiner Zeit. In seiner Familie gab es religiöse Verunsicherung, die Sicherheit hat er sich offenbar durch den Eintritt bei den Kapuzinern geholt. Da hat er sich festgemacht. Und das ist sicher auch der Hintergrund für seine Sturheit, mit der er seine Linie vertreten hat.
Heute sind Reliquien Erinnerungsstück an das Heilige. Wir Menschen sind sinnliche Wesen und können nicht nur von Ideen und Theorien leben. Ich kann das gut verstehen, mir geht es auch so.
Wie würden Sie Ihre persönliche Beziehung zu diesem Heiligen beschreiben?
Ich stamme hier aus der Gegend und habe von Anfang an eine gewisse Nähe zu Fidelis. Je mehr ich mich mit ihm beschäftigt habe, desto interessanter wurde er für mich. Er ist ein sperriger Typ, kein frommer Heiliger. Gerade das gefällt mir und sagt mir: Du darfst auch Fehler machen und kannst trotzdem ein Leben mit Jesus führen. Das ist für mich das Thema: Jesu nachzufolgen. Hier orientiere ich mich an Fidelis, Schritt für Schritt. Wir verteilen gerne Kärtchen mit einem Spruch von Fidelis: „Lieber Gott, gib mir das Geschenk, dass ich nie jemanden verurteile, auch wenn er noch so schlimm mit mir umgeht oder mir Böses tut, dass ich das Wohlwollen behalten kann.“ Das war seine Devise und das ist brandaktuell. Da geht es um Kommunikation, um Wertschätzung im Umgang. Das ist Richtschnur für mich persönlich.
Sie haben es kurz anklingen lassen: In der Biographie des Heiligen findet sich auch der Einsatz als Anwalt für die Armen. Stichwort „Advokat der Armen.“
Ja, das war auch eine Stärke von ihm. Er sah, wie die Armen vor Gerichten benachteiligt wurden, er setzte sich engagiert ein. Schließlich beendete er seine Anwaltstätigkeit, denn er glaubte, dass er als Kapuziner mehr für die Armen tun könnte. Der heilige Fidelis ist nachweislich mit zahlreichen Notlagen in Berührung gekommen und hat sich tatkräftig eingesetzt.
Viele Menschen verehren den heiligen Fidelis, hier in Feldkirch wird das Haupt des Heiligen aufbewahrt. Wie ist Ihre Erfahrung: Können Menschen heute noch etwas mit Reliquien anfangen?
Das ist eine wichtige und schon sehr alte Frage. Sie geht auch auf die Reformation zurück, denn Martin Luther hat sich gegen den Reliquienkult, wie er damals praktiziert worden ist, heftigst gewehrt. Damals war das ein Geschäft, und das hat viele Menschen abgestoßen. In der katholischen Kirche ist der Reliquienkult Teil unserer Geschichte geblieben. Heute sind Reliquien Erinnerungsstück an das Heilige. Dadurch wird das Thema greifbarer. Wir Menschen sind sinnliche Wesen und können nicht nur von Ideen und Theorien leben. Ich kann das gut verstehen, mir geht es auch so.
Einmal pro Woche gibt es hier in Feldkirch den Segen mit dem Fidelishaupt.
Ja. Unsere Reliquie hier ist eine Berührungsreliquie. Wenn Menschen kommen und den Segen wollen, dann wird Ihnen das Haupt des heiligen Fidelis auf den Kopf gesetzt. Es geht darum, dem Heiligen nahe zu sein. Und die Menschen können etwas damit anfangen: Unsere Kirche ist immer am Mittwoch um 9 Uhr bis zum letzten Platz gefüllt. Alle diese Menschen vertrauen darauf, von Fidelis Hilfe zu erfahren. Ich übrigens auch!
Br. Karl-Martin, vielen Dank für das Gespräch!