

FOTO: KAPUZINER/KENDZIORA
BR. Leonhard Lehmann
ist Theologe, Autor und einer der bekanntesten Franziskusforscher. Er lebt im Kapuzinerkloster in Münster.
Franziskanische Vorbilder: Podcast statt Vorlesung
Br. Leonhard Lehmann hat sich viele Jahre in Rom als Wissenschaftler mit dem heiligen Franz von Assisi beschäftigt. Im letzten Jahr wagte sich der Kapuziner an ein für ihn neues Format: einen Podcast über franziskanische Frauen und Männer mit Vorbildcharakter.
Stille. Einmal tief durchatmen. Dann geht es los, die Aufnahme läuft. Br. Leonhard beginnt: „Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer von SANCTUM“. Der Kapuziner steht im Sprechzimmer des Klosters in Münster und spricht über den heiligen Seraphin von Montegranaro. Klar, komprimiert, kundig – aber ohne Zuhörer im Raum. Früher hielt der Ordensmann als Professor Vorlesungen vor hunderten Studentinnen und Studenten. Heute spricht er in sein Aufnahmegerät und produziert einen Podcast, der im Auto, beim Sport oder am Computer abgerufen wird.
Als im Frühling 2021 im Orden die Idee aufkam, einen Podcast zu franziskanischen Heiligen mit dem Namen „SANCTUM“ zu machen, war Leonhard Lehmann sofort Feuer und Flamme, auch wenn das Format völlig neu für ihn war. „Diese für mich neue Art, das spannende Thema unter die Leute zu bringen, hat mich sehr gereizt“, sagt der Theologe und Franziskusforscher, der seit 2019 im Kapuzinerkloster in Münster lebt.
Br. Leonhard wurde 1947 in Zell am Harmersbach geboren und lehrte unter anderem 30 Jahre an der Päpstlichen Universität Antonianum in Rom franziskanische Spiritualität. Die besondere Herausforderung des Formates? „Natürlich die Kürze“, zögert Br. Leonhard keine Sekunde. Als Professor dauerten seine Vorlesungen mit einer kurzen Pause meist 90 Minuten, heute muss er mit einem Zehntel der Zeit auskommen. Doch die Fokussierung bringt auch Vorteile, man arbeitet sich rasch zum Kern, zum Wesen des Heiligen vor. „In wenigen Minuten Leben und Wirkung bedeutender Persönlichkeiten zusammenzufassen und zu bewerten, ist anspruchsvoll und neu für mich“, sagt der Wissenschaftler und ergänzt schmunzelnd: „Immerhin brauche ich keine Fußnoten mehr verfassen in der Vorbereitung.“
Warum braucht es heute überhaupt einen Podcast zu franziskanischen Heiligen? „Geschichte lebt von Menschen“, findet Br. Leonhard. Auch wenn Heilige in der heutigen Zeit eher skeptisch beäugt würden, sei es wichtig, sich mit diesen Vorbildern zu beschäftigen. „Vielleicht sollte man das Wort Heilige neu übersetzen – besser passen vielleicht die Begriffe Leuchttürme oder Handwerker Gottes“, sagt Br. Leonhard. Die existenzielle Frage, welche Richtung man seinem Leben geben soll, ist auf jeden Fall aktueller denn je. „Diese Frage nach dem Sinn stellen sich heute immer mehr Menschen. Franziskanische Frauen und Männer in der Nachfolge Christi, die das Evangelium in ihrer Zeit gelebt haben, können hier Vorbild und Richtschnur sein“, ist der Kapuziner überzeugt.
Seit Mai 21 läuft seine Podcast-Reihe. Bekannte Namen sind darunter, Bonaventura, Franziskus oder Maximilian Kolbe. Aber auch weniger vertraute Selige und Heilige tauchen in der Liste auf – etwa Maria Magdalena Martinengo oder Innozenz von Berzo. „Ich suche durchaus bewusst Frauen und Männer heraus, die eher unbekannt sind, auch in der franziskanischen Familie. Hier ist zwar die Recherche etwas aufwändiger, oft gibt es nur italienische Quellen, aber die Arbeit lohnt sich“, erzählt Br. Leonhard.
Der Stoff für weitere Podcasts über weibliche und männliche Wegweiser aus der franziskanischen Familie geht Br. Leonhard erstmal nicht aus. Der liturgische Kalender ist gut gefüllt. „Ich freue mich auch ganz persönlich, einige franziskanische Heilige für mich neu zu entdecken“, sagt er. Und so wird er noch häufiger konzentriert vor seinem Aufnahmegerät stehen und kurz und kompakt von franziskanischen Vorbildern und ihrem Wirken berichten.