
FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
BR. MARINUS PARZINGER
wurde 1963 geboren und trat 1987 in den Kapuzinerorden ein. 1994 wurde er zum Priester geweiht. Er leitet die Kapuziner-Gemeinschaft in Altötting.
Heilige als Vorbilder sind out? Von wegen!
Vorbilder im Glauben sind anregend und motivieren zu konkretem Engagement. Ein Standpunkt von Br. Marinus Parzinger, der als Kapuziner am Wallfahrtsort Altötting lebt.
Heilige sind überholt, antiquiert oder unzeitgemäß? Einspruch! Für mich sind Heilige anregende Vorbilder. Ich habe in meinem Leben immer wieder erfahren, dass mir Vorbilder im Glauben hilfreich sind. Genau das meint Selig- bzw. Heiligsprechung: Das gelungene Leben eines Christen wird als anregendes Beispiel vor Augen gestellt.
Auf meinem Lebensweg haben mich Vorbilder geprägt. Ich könnte viele nennen, zwei möchte ich aber herausheben: den heiligen Bruder Klaus von Flüe und – wohl wenig überraschend – den heiligen Franz von Assisi. Die Radikalität des heiligen Franziskus hat mich als Jugendlichen gepackt. Sein Weg der Jesusnachfolge hat mich motiviert, Kapuziner zu werden. Ich imitiere ihn nicht. Ich gehe meinen Weg! Dabei ist Br. Franz mir Bruder und Wegbegleiter, dem ich mein Leben anvertraue.
Heilige sind nicht out. Ich erlebe mich eingebunden in einen Lebensstrom. Heilige gehören in diesen Strom hinein. Manche sind mir vertraut, andere kenne ich kaum. Für jeden ist eine oder einer dabei, der herausfordert, bestärkt und tröstet. Heilige verkörpern eine Facette des christlichen Glaubens und konkretisieren sie. Der unsichtbare Gott (bildlich wie physikalisches unsichtbares Licht verstanden) wird erkennbar durch konkret Glaubende (in Spektralfarben zerlegt). Dieser Gedanke kommt mir, wenn ich bunte Kirchenfester sehe.
Als ich jung war, habe ich ein Jahr lang jeden Morgen aus einem Heiligenbuch eine kurze Biographie gelesen. Diese Lebensbilder hinterließen in mir den Eindruck: so verschieden und manchmal krisenhaft ihr Weg verlaufen ist, es wurde letztlich gut. In der Lebensspur dieser Menschen kann ich Gottes Segensspur entdecken. Wer sich auf den Weg macht, der erfährt Hilfe und Segen.
Wer ich heute bin, das verdanke ich zum Teil anderen. Sie haben mich geprägt. Und sie haben mich durch Krisen hindurch begleitet. Das sind zunächst Menschen in meiner unmittelbaren Nähe, aber auch Frauen und Männer der Kirchengeschichte. Diese wirken weiter über ihr Leben hinaus. Sie verkörpern das Gute im Menschen. Sie stärken meine Resilienz. Sie wecken Hoffnung und Zuversicht.
Wichtig scheint mir: Es ist fatal, sich auszuruhen im Verweis auf die großen Gestalten der Vergangenheit. Jede und jeder kann ein Licht sein, das den gemeinsamen Weg erhellt! Wir brauchen Heilige als Vorbilder, weil sie uns zum Vertrauen in Gott und zum konkreten Engagement motivieren.