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FOTO: KAPU­ZI­NER

BR. LEOPOLD MANDIC

hier auf einem Gemäl­de von S. Majew­ski aus dem Kapu­zi­ner­klos­ter Leibnitz

10. Juni 2024

Kapuziner Leopold Mandic: „Ein großer Barmherziger“

Der Kapu­zi­ner Leo­pold Man­dic (1866 ‑1942) wur­de 1983 hei­lig­ge­spro­chen. Bekannt wur­de er als Beicht­va­ter und Pio­nier für die Öku­me­ne. Sei­ne Barm­her­zig­keit impo­nier­te auch Papst Franziskus. 

Von Sta­tur klein­wüch­sig, kränk­lich und mit sei­ner lei­sen, lis­peln­den Stim­me nur schwer zu ver­ste­hen: Das Auf­tre­ten des Kapu­zi­ners Leo­pold Man­dic war alles ande­re als spek­ta­ku­lär – und doch hat­te er schon als Kind gro­ße Träu­me. Wäh­rend ande­re Kin­der heu­te etwa davon träu­men, als Astro­naut ins Welt­all zu flie­gen, träum­te „Pad­re Leo­pol­do“ – wie ihn Papst Fran­zis­kus nann­te – davon, die christ­li­chen Kir­chen in Ost und West zu ver­söh­nen. Schon früh wuss­te er um die Spal­tung zwi­schen der katho­li­schen und der ortho­do­xen Kir­che, zumal sein Umfeld vom ortho­do­xen Glau­ben geprägt war. Ob er aber schon als Kind ein kla­res Bild davon hat­te, sei jedoch frag­lich, sagt Robert Ton­sa­ti, Kanz­ler und Lei­ter des Kul­tur­bü­ros in der kroa­ti­schen Diö­ze­se Kotor, auf des­sen Gebiet Man­dics Geburts­ort liegt. „Zu sei­ner Zeit waren die Trenn­li­ni­en zwi­schen den bei­den Kir­chen viel schär­fer als heu­te, auch die offi­zi­el­le Rhe­to­rik war deut­lich anders, viel weni­ger vom Geist der Gemein­schaft geprägt“, fährt er fort. „Vie­le Kir­chen­ver­tre­ter beton­ten deut­lich die Über­le­gen­heit ‚ihrer‘ Kir­che gegen­über der ande­ren und ver­tief­ten damit die Kluft zwi­schen ihnen“.

Leo­pold Man­dic gilt all­ge­mein als Pio­nier der Ökumene.

Leo­pold Man­dic wur­de am 12. Mai 1866 im damals zu Öster­reich-Ungarn gehö­ren­den Cas­tel­nuo­vo, heu­te Her­ceg Novi in Mon­te­ne­gro, gebo­ren und fand als jüngs­tes von sech­zehn Kin­dern durch sei­ne Eltern zum katho­li­schen Glau­ben. Neben den Kir­chen­spal­tun­gen erleb­te er unter ande­rem auch die Span­nun­gen zwi­schen den ver­schie­de­nen Volks­grup­pen auf dem Bal­kan – vor allem zwi­schen den kroa­ti­schen (meist katho­li­schen) und den ser­bi­schen (meist ortho­do­xen) Chris­ten. Was aber das Zusam­men­le­ben mit Chris­ten ande­rer Kon­fes­sio­nen betrifft, so kann­te der spä­te­re Kapu­zi­ner die Öku­me­ne schon lan­ge, bevor sie sich als Fach­be­griff in theo­lo­gi­schen Krei­sen eta­blier­te. „Leo­pold Man­dic gilt all­ge­mein als Pio­nier der Öku­me­ne. Er sah sei­ne Auf­ga­be gera­de dar­in, an der Ver­söh­nung der gespal­te­nen Kir­chen, ins­be­son­de­re der öst­li­chen (ortho­do­xen) und west­li­chen (katho­li­schen), zu arbei­ten“, sagt Ton­sa­ti. In Kotor wur­de die Kir­chen­tren­nung all­ge­mein nicht so streng gese­hen. So gab es laut Ton­sa­ti vie­le Misch­ehen und katho­li­sche Geist­li­che gaben den ortho­do­xen Kin­dern in Gemein­den, in denen es kei­nen ortho­do­xen Geist­li­chen gab, geson­der­ten Religionsunterricht.

Mit 18 Jah­ren trat Leo­pold in Vene­dig in den Kapu­zi­ner­or­den ein und wur­de 1890 zum Pries­ter geweiht. Sein eigent­li­cher Wunsch, die Ost- und die West­kir­che zu ver­söh­nen, ver­zö­ger­te sich damit zunächst. Denn die Ordens­obe­ren teil­ten sei­ne Visi­on von Öku­me­ne nicht. So nahm er die ihm über­tra­ge­nen seel­sor­ge­ri­schen Auf­ga­ben an und erfüll­te sie mit gro­ßer Hin­ga­be – oft auf Kos­ten sei­ner damals schon ange­schla­ge­nen Gesund­heit und ohne Pau­se. Als Beicht­va­ter wirk­te er zunächst in Vene­dig und spä­ter in Padua, wo er mehr als 30 Jah­re sei­nes Lebens ver­brach­te. Von dem gro­ßen Wunsch, Brü­cken­bau­er zwi­schen den bei­den Kir­chen zu sein, blieb nicht viel – nur die klei­ne, fens­ter­lo­se Zel­le, die im Win­ter kalt und im Som­mer heiß war. Oft saß der klei­ne Kapu­zi­ner mehr als 15 Stun­den am Tag im Ses­sel sei­ner Zel­le, Men­schen aus ganz Euro­pa war­te­ten stun­den­lang, um mit ihm über ihre all­täg­li­chen Pro­ble­me zu spre­chen. Unter ihnen waren auch Pries­ter und Bischö­fe, dar­un­ter sogar Albi­no Lucia­ni, der spä­ter als 30-Tage-Papst bekann­te Johan­nes Paul I. Wenn nicht so viel Andrang herrsch­te, ver­trieb sich der Ordens­mann die Zeit mit theo­lo­gi­scher Literatur.

Papst Fran­zis­kus mach­te Leo­pold Man­dic zum Patron des Jah­res der Barmherzigkeit 

Als uner­müd­li­cher Beicht­va­ter hat­te der klei­ne Kapu­zi­ner schon zu Leb­zei­ten eine gro­ße Wir­kung. Wäh­rend ande­re Seel­sor­ger sei­ner Zeit Angst und die Andro­hung der ewi­gen Höl­len­stra­fe als Anreiz nutz­ten, habe Leo­pold immer nur von Barm­her­zig­keit gespro­chen, so Ton­sa­ti. Papst Fran­zis­kus habe ihn des­halb zum Patron des Jah­res der Barm­her­zig­keit (2015–2016) gemacht, um das The­ma Barm­her­zig­keit noch stär­ker in den Mit­tel­punkt zu rücken. Die­se Hal­tung spielt im Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus in vie­ler­lei Hin­sicht eine ent­schei­den­de Rol­le, sei es in der Fra­ge der Kom­mu­ni­on für geschie­de­ne Wie­der­ver­hei­ra­te­te, im Umgang mit Homo­se­xu­el­len, Migran­ten oder auch in der Umstruk­tu­rie­rung des lan­ge Zeit für sei­ne inqui­si­to­ri­schen Metho­den bekann­ten Glau­bens­dik­as­te­ri­ums. Fran­zis­kus ließ sich von dem klei­nen Kapu­zi­ner inspi­rie­ren. „Ein gro­ßer Barm­her­zi­ger“, nann­te der Pon­ti­fex ihn wäh­rend einer Anspra­che im Jahr 2022 und mach­te deut­lich, dass die Kir­che Pries­ter mit demü­ti­ger und barm­her­zi­ger Hal­tung braucht.

Der offen­sicht­li­che Grund für die­se Fas­zi­na­ti­on – nicht nur bei Papst Fran­zis­kus – war die ein­fühl­sa­me und ver­ständ­nis­vol­le Art, mit Leo­pold den Men­schen begeg­ne­te. Unzäh­li­ge Anek­do­ten wer­den über ihn erzählt. Eine davon han­delt von einem gesell­schaft­lich bekann­ten Padua­ner, der sich lan­ge vor dem Sakra­ment der Ver­söh­nung gedrückt haben soll. Der Kapu­zi­ner konn­te ihn jedoch über­re­den, für einen Moment Platz zu neh­men. Der Padua­ner sei von der Art und Wei­se, wie der Kapu­zi­ner mit ihm umge­gan­gen sei, im posi­ti­ven Sin­ne ver­wirrt gewe­sen und habe sich dadurch auf den Platz des Beicht­va­ters statt auf den des „Sün­ders“ gesetzt. Leo­pold konn­te die Situa­ti­on jedoch ret­ten, indem er sich auf die Knie­bank drück­te. Aus der skur­ri­len und für bei­de Sei­ten zum Teil pein­li­chen Situa­ti­on ent­wi­ckel­te sich ein tie­fes Gespräch, ja fast eine Freund­schaft. Ande­re Geschich­ten spre­chen von Brief­freund­schaf­ten, die nach Begeg­nun­gen mit dem Kapu­zi­ner entstanden.

Als Leo­pold 1942 starb, ver­brei­te­te sich die Nach­richt, dass ein Hei­li­ger gestor­ben sei – jeder soll sofort gewusst haben, wer gemeint war. Wie das heu­te in sei­nem Geburts­ort Her­ceg Novi, einer klei­nen Stadt an der Bucht von Kotor, aus­sieht, sei schwer zu sagen, meint Ton­sa­ti. „Älte­re Gene­ra­tio­nen, egal wel­cher Reli­gi­on sie ange­hör­ten, wuss­ten, dass in ihrer Stadt ein Hei­li­ger gebo­ren wur­de“, sagt er. Heu­te sei das etwas anders. In Kotor gebe es auf rela­tiv klei­nem Raum so vie­le Hei­li­ge und Seli­ge, dass die Stadt zu Recht „Bucht der Hei­li­gen“ genannt wer­de. Neben dem Kapu­zi­ner sind auch Hei­li­ge wie Tri­pun, des­sen Reli­qui­en aus Kon­stan­ti­no­pel nach Kotor gebracht wur­den oder Seli­ge wie den Augus­ti­ner­mönch Gra­ti­an oder die Domi­ni­ka­ne­rin Oza­na von Kotor mit der Stadt verbunden.

Der klei­ne Kapu­zi­ner woll­te nie „groß“ sein, er woll­te in die­ser Welt unbe­merkt bleiben

Auch wenn die katho­li­sche Kir­che in Kroa­ti­en ihren 1983 von Johan­nes Paul II. hei­lig­ge­spro­che­nen Kapu­zi­ner nicht ver­ges­sen hat, so scheint man doch mehr den seli­gen Kar­di­nal Aloy­si­us Ste­pinac in den Vor­der­grund stel­len zu wol­len. An sei­ner Per­son schei­den sich jedoch die Geis­ter, das Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren ruht der­zeit. Papst Fran­zis­kus hat­te eine Kom­mis­si­on aus ser­bi­schen und kroa­ti­schen His­to­ri­kern sowie Ver­tre­tern der katho­li­schen und ser­bisch-ortho­do­xen Kir­che ein­be­ru­fen, die 2017 zu dem Schluss kam, dass im Fall Ste­pinac „die vor­herr­schen­den Inter­pre­ta­tio­nen der katho­li­schen Kroa­ten und der ortho­do­xen Ser­ben nach wie vor unter­schied­lich sind“. Ton­sa­ti ver­steht zwar die Not­wen­dig­keit, Vor­ur­tei­le über den seli­gen Kar­di­nal zu über­win­den, aber es scheint, dass Ste­pinac der ein­zi­ge Bezugs­punkt ist, obwohl es „wirk­lich tie­fe und inspi­rie­ren­de Gedan­ken von so vie­len ande­ren Hei­li­gen gibt“ – wie die des barm­her­zi­gen Kapu­zi­ners Leopold.

Den­noch erfreut sich der Hei­li­ge Leo­pold Man­dic in der klei­nen Kir­che des ehe­ma­li­gen Kapu­zi­ner­klos­ters in Her­ceg Novi, die ihm geweiht ist, einer stän­di­gen, wenn auch beschei­de­nen Ver­eh­rung. Das ist nicht ver­wun­der­lich, denn die Zahl der Katho­li­ken in Her­ceg Novi ist heu­te sehr gering. Auch im öffent­li­chen Raum gibt es wenig, was den neu­gie­ri­gen Pil­ger auf Leo­pold auf­merk­sam macht, abge­se­hen von einem klei­nen Park, den die Diö­ze­se der Stadt schenk­te. Die­ser trägt den Namen des Hei­li­gen und hat einen eher beschei­de­nen Cha­rak­ter. „Auch in Bezug auf die katho­li­sche Kul­tur und die Ver­gan­gen­heit hat es in den letz­ten Jahr­zehn­ten star­ke Ten­den­zen gege­ben, die Erin­ne­rung zu unter­drü­cken“, betont Ton­sa­ti. Aus kul­tu­rel­ler Sicht hält er das für eine gro­ße Unge­rech­tig­keit gegen­über dem Hei­li­gen. Als gläu­bi­ger Christ sieht er dar­in aber kei­nen Wider­spruch: Denn der klei­ne Kapu­zi­ner Leo­pold Man­dic woll­te nie „groß“ sein, er woll­te in die­ser Welt unbe­merkt blei­ben – und so Gro­ßes vollbringen.

Quel­le: www.katholisch.de/Mario Tri­fu­n­o­vic

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