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FOTO: KAPUZINER/KOLKMANN

18. März 2024

Wenn der Tod sich nähert: Glaube als Stütze?

Jesus spürt in den Tagen vor Ostern, wie der Tod sich nähert, unwei­ger­lich und bald. Auch heu­te ken­nen Men­schen die­ses Gefühl. Wie gehen sie damit um? Zwei Seel­sor­ger erzäh­len. Ein Text von Br. Micha­el Maldacker. 

Jesus weiß, dass sein Leben bald zu Ende geht. Das Wei­zen­korn muss ster­ben. „Jetzt ist mei­ne See­le erschüt­tert“, sagt er, als er merkt, dass die Todes­stun­de naht. Sei­nen Jün­gern kommt die­se Situa­ti­on merk­wür­dig vor, sie schei­nen nicht all­zu viel davon zu ver­ste­hen, was vor sich geht: Jesu Wor­te – ein Rät­sel. Die Stim­me Got­tes – ein Don­ner? „Da kam eine Stim­me vom Him­mel: Ich habe ihn schon ver­herr­licht und wer­de ihn wie­der ver­herr­li­chen.“ So steht es im Evan­ge­li­um. Jesus hört es, sei­ne Beglei­ter hören es offen­bar nicht. Wie ist es bei Gläu­bi­gen heu­te? Hören sie die­se Stim­me? Hilft der Glau­be im Sterben?

Ja, der Glau­be macht tat­säch­lich den ent­schei­den­den Unter­schied in der Todes­stun­de, dar­in sind sie sich einig: Die­ter Broek­mann vom ambu­lan­ten Hos­piz­dienst „Hos­piz­be­we­gung Müns­ter“, der sich in der west­fä­li­schen Groß­stadt um die Bedürf­nis­se Ster­ben­der küm­mert, und Kapu­zi­ner­bru­der Engel­bert Bacher aus dem öster­rei­chi­schen Feld­kirch, der seit 23 Jah­ren als Kran­ken­haus­seel­sor­ger arbeitet.

„Wenn der Glau­be im Leben eine wich­ti­ge Rol­le hat­te, kann er am Ende hilf­reich sein. Aber man­che Men­schen sind auch ver­bit­tert mit dem Glau­ben und sahen ihn nicht als Stüt­ze“, sagt Die­ter Broek­mann. Wenn Bru­der Engel­bert in Feld­kirch an einem Ster­be­bett sitzt, stel­len die meis­ten Men­schen einen Zusam­men­hang mit ihrem Glau­ben her. „Beten Sie mit mir, dass ich wenig lei­den muss“, wer­de häu­fig gewünscht, erzählt der Kapuziner.

Beson­ders in den letz­ten Stun­den sei das Gespräch über den Glau­ben für die meis­ten wich­tig, sagt Bru­der Engel­bert. Und stellt fest: „Es gibt gro­ße Unter­schie­de, wie Ster­ben­de mit mir über Glau­ben und Reli­gi­on spre­chen. Sind die Ange­hö­ri­gen dabei, spre­chen sie nicht ger­ne dar­über; sind kei­ne Ange­hö­ri­gen dabei, fin­den sol­che Gesprä­che aus­führ­lich statt.“ Manch­mal habe er den Ein­druck, dass sich älte­re Men­schen wegen ihres Glau­bens vor den Ange­hö­ri­gen recht­fer­ti­gen müs­sen, „weil jün­ge­re Gene­ra­tio­nen häu­fig ein ande­res Ver­ständ­nis von Glau­ben haben“.

Jesus redet mehr oder weni­ger offen davon, dass er bald ster­ben wird. Die heu­ti­gen Seel­sor­ger erle­ben das unter­schied­lich. „Es gibt Men­schen, die offen über ihre Situa­ti­on spre­chen, aber genau­so vie­le, die kein ein­zi­ges direk­tes Wort über die End­lich­keit aus­spre­chen“, sagt Broek­mann. „Vie­le Men­schen füh­len sich ein­fach auf­ge­ho­ben und gestützt, wenn jemand zuhört und nicht kommentiert.“

Jesus war noch nicht in dem Alter, in dem man ster­ben muss. Gehen jun­ge Leu­te anders als alte auf den Tod zu? Gene­rell kön­nen bei­de Ster­be­be­glei­ter nicht bestä­ti­gen, dass jun­ge Men­schen anders aus dem Leben gehen als betag­te. „Aus mei­ner Sicht ist das Alter nicht ent­schei­dend“, sagt Broek­mann und erin­nert sich an ein vier­jäh­ri­ges Kind, das zur Mut­ter gesagt hat: „Du musst nicht trau­rig sein, mir geht es gut.“ Ande­rer­seits habe er auch über Neun­zig­jäh­ri­ge erlebt, die empört gewe­sen sei­en, dass ihr Leben zu Ende geht. 

Bru­der Engel­bert hat ähn­li­che Erfah­run­gen gemacht. „Als ich noch auf der Aids-Sta­ti­on arbei­te­te und die­se Krank­heit noch einem Todes­ur­teil gleich­kam, spra­chen die jun­gen Men­schen, die zwi­schen 19 und 30 Jah­ren alt waren, häu­fig über Sui­zid­ge­dan­ken“, sagt er. Ande­re sei­en bewusst auf den Tod zuge­gan­gen, „bis hin zur Gestal­tung der eige­nen Begräb­nis­fei­er“, erin­nert er sich. „Das gibt es bei älte­ren Ster­ben­den übri­gens nur ver­ein­zelt, dass sie über die Trau­er­fei­er sprechen.“

Jesus spricht im Evan­ge­li­um über sehr grund­sätz­li­che Din­ge, sei­ne Jün­ger trei­ben eher All­tags­fra­gen um. Was ist typi­scher kurz vor dem Tod? Da fällt Engel­bert Bacher sofort ein Aids-Pati­ent ein, der in sei­nen letz­ten Atem­zü­gen noch einen Wunsch auf Scho­ko­rie­gel mit Vanil­le­eis äußer­te. Und mit einem Hob­by­gärt­ner hat er mal über das Beschnei­den von Bäu­men gespro­chen. „Das war ihm in sei­nen letz­ten Momen­ten ein­fach wich­tig. Die­se The­men brin­gen Locker­heit in die letz­ten Gedan­ken“, sagt der erfah­re­ne Seel­sor­ger, der auch Kran­ken­pfle­ger ist.

Die Situa­tio­nen und Gedan­ken hin­ge­gen, in denen Ster­ben­de beson­ders ernst wer­den, betref­fen häu­fig die eige­nen Ange­hö­ri­gen. „Wenn Men­schen von ihrer letz­ten Zeit ver­bit­tert spre­chen, dann sind das meist Gedan­ken über das Allein­sein, das Allein­ge­las­sen­wer­den von der Fami­lie“, sagt Bru­der Engel­bert. Eben­so gebe es aber auch Ver­söh­nun­gen am Ster­be­bett, etwa, wenn die Ster­ben­den ihre Kin­der jah­re­lang nicht gese­hen hat­ten. „Sie sehen sich, sie berüh­ren sich, das ist dann wunderschön.“

Laden Ster­ben­de ihre Ange­hö­ri­gen auch aus­drück­lich zu Abschieds­re­den ein oder zu Anspra­chen, so wie es Jesus im Evan­ge­li­um tut? Das ken­ne er tat­säch­lich aus den sta­tio­nä­ren Hos­pi­zen, sagt Broek­mann. Beim Ster­ben zu Hau­se, das er in sei­nem ambu­lan­ten Hos­piz­dienst beglei­tet, fügt er an, fin­de so etwas eher nicht statt. Engel­bert Bacher lädt in Feld­kirch aus­drück­lich zu sol­chen Zere­mo­nien ein. Der Seel­sor­ger unter­stützt Ster­ben­de, letz­te Momen­te gemein­sam mit den Ange­hö­ri­gen zu ver­brin­gen. „Da wird viel Ver­söhn­li­ches gespro­chen, viel über Ver­ge­bung des­sen, was zwi­schen ihnen vor­ge­fal­len ist“, sagt er.

Zu den ver­söhn­li­chen letz­ten Momen­ten zäh­len auch die Ster­be­ri­tua­le, die Bacher auf Wunsch vor­nimmt. Die Kin­der wer­den am Bett emp­fan­gen und ein­ge­la­den, sich anzu­fas­sen. Der Seel­sor­ger hat dann stets ein Ker­zen­licht dabei, Weih­was­ser, und man spricht gemein­sam Gebe­te, erzählt er über die etwa halb­stün­di­ge Zere­mo­nie. Bru­der Engel­bert seg­net Kopf, Hän­de, Füße, Herz; auch die Ange­hö­ri­gen dür­fen die­se Kör­per­tei­le des Kran­ken berüh­ren. „Das ist wie eine Lit­ur­gie“, sagt der Kapuziner.

Text: Br. Micha­el Mal­d­a­cker. Der Text ist bereits in ver­schie­de­nen Kir­chen­zei­tun­gen erschienen. 

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