Interview

FOTO: KAPUZINER/LEMRICH

BR. THOMAS DIENBERG

ist Direk­tor von IUNC­TUS, dem Kom­pe­tenz­zen­trum für Christ­li­che Spi­ri­tua­li­tät. Der Kapu­zi­ner arbei­tet als als Pro­fes­sor für Theo­lo­gie der Spi­ri­tua­li­tät an der Phi­lo­so­phisch-Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Müns­ter (PTH). Schwer­punk­te sei­ner Arbeit sind unter ande­rem die fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät und die Spi­ri­tua­li­tät in Manage­ment und Führung. 

10. Juli 2023

Werte und Führung: „Spiritualität gehört zum Leadership“

Wel­che Rol­le spie­len Wer­te und fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät für Füh­rungs­kräf­te? Br. Tho­mas Dien­berg, Pro­fes­sor für Spi­ri­tua­li­tät, arbei­tet mit Unter­neh­mern und sagt: „Im All­tag fehlt viel zu oft die Zeit für die Arbeit an der eige­nen Person.“

Wel­che Bedeu­tung hat Spi­ri­tua­li­tät für Sie persönlich?
Br. Tho­mas Dien­berg: Spi­ri­tua­li­tät ist für mich mein Lebens­eli­xier. Sie speist sich aus mei­nem Glau­ben an einen Gott, der mit mir und uns auf dem Weg ist, der mir in die­ser Welt begeg­net und mich her­aus­for­dert, die­sen Glau­ben immer wie­der zu hin­ter­fra­gen. Eine Leit­fra­ge dabei ist: Mache ich wirk­lich ernst mit der Nach­fol­ge Jesu? Wenn ich auf ihn schaue: Wo muss ich wie was ver­än­dern, oder alt­mo­disch gespro­chen: umkehren?

Liegt Spi­ri­tua­li­tät in der Gesell­schaft im Trend?
Das kann man schon so sagen: Spi­ri­tua­li­tät ist abso­lut tren­dy. Aller­dings ist es oft nicht klar, was Spi­ri­tua­li­tät eigent­lich ist. Die einen ver­bin­den sie mit Reli­gi­on, die ande­ren sagen von sich, sie sei­en spi­ri­tu­ell, aber nicht reli­gi­ös. Wenn ich Spi­ri­tua­li­tät mit dem Geist oder der Quel­le in Ver­bin­dung brin­ge, die mich trägt und unver­zicht­bar in mei­nem Leben ist, die mir Kraft und Leben schenkt, dann war Spi­ri­tua­li­tät eigent­lich immer im Trend. Suchen nicht alle Men­schen nach Sinn im Leben, ob reli­gi­ös oder nicht?

Was ist „christ­li­che“ Spiritualität?
Christ­li­che Spi­ri­tua­li­tät, und das klingt so sim­pel und banal, ist das Leben in der Nach­fol­ge Jesu. Er ist Maß­stab und Regel, Ori­en­tie­rung und Her­aus­for­de­rung für mein Leben im Glau­ben, für mei­ne Hal­tun­gen den ande­ren gegen­über, für Füh­rung und Lei­tung im christ­lich-kirch­li­chen Kontext.

Die Arbeit an der eige­nen Per­son ist für mich im Kon­text von Füh­rung und Lei­tung zentral.

Soll­ten sich auch Füh­rungs­kräf­te mit die­sen The­men beschäftigen?
Ja, auf jeden Fall! Mei­ne tiefs­te Über­zeu­gung ist, dass ich als Füh­rungs­kraft das wich­tigs­te und auch wirk­sams­te Instru­ment bin, das mir zur Ver­fü­gung steht. Das bedeu­tet, dass ich um mei­ne Stär­ken und Schwä­chen, um mei­ne Füh­rungs­prin­zi­pi­en und vor allem um mei­ne Quel­len wis­sen muss. Was trägt mich und gibt mir Kraft? Was hilft mir, mit Kri­sen umzu­ge­hen und Kon­flik­te aus­zu­hal­ten? Was hilft mir in Zei­ten des Schei­terns und im Umgang mit schwie­ri­gen Mit­ar­bei­ten­den? Da spielt das The­ma Spi­ri­tua­li­tät eine ganz gewich­ti­ge Rolle.

Ist das ein Aspekt der Mitarbeiterbindung?
Atmo­sphä­re und Wert­schät­zung sind zwei der wich­tigs­ten Säu­len für die Mit­ar­bei­ter­bin­dung. Wenn eine Füh­rungs­per­son stän­dig das Christ­sein betont, sich aber im Ver­hal­ten gegen­über den Mit­ar­bei­ten­den weder durch Wert­schät­zung und Respekt noch durch kla­re und trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­zeich­net, dann wird sie die Mit­ar­bei­ten­den nicht bin­den kön­nen. Umge­kehrt: Eine geleb­te und authen­ti­sche Spi­ri­tua­li­tät, die sich in geleb­ten Hal­tun­gen aus­drückt, ver­mag Mit­ar­bei­ten­de zu bin­den. In der christ­li­chen Spi­ri­tua­li­tät gibt es das schö­ne Wort von den Früch­ten: An den Früch­ten wer­det Ihr sie erken­nen. Und die Frucht einer Füh­rungs­kraft, die aus ihrer Spi­ri­tua­li­tät her­aus ihre Füh­rung wahr­nimmt, sind: Lie­be, Gelas­sen­heit, Geduld und respekt­vol­les Han­deln. Oder anders über­setzt: Wert­schät­zung, Wahr­neh­mung der ein­zel­nen, Befä­hi­gung ande­rer und eine gute, offe­ne Atmosphäre.

Sind Füh­rungs­kräf­te für die­se The­men aus­rei­chend sensibilisiert?
Die Arbeit an der eige­nen Per­son ist für mich im Kon­text von Füh­rung und Lei­tung zen­tral. In der Arbeit mit Füh­rungs­kräf­ten erle­be ich das immer als sehr frucht­bar. Im Füh­rungs­all­tag jedoch fehlt dazu oft­mals die Zeit. Gera­de die soge­nann­te Gene­ra­ti­on Z for­dert Füh­rungs­kräf­te heu­te her­aus, nach Wer­ten zu fra­gen, authen­tisch zu sein und eine trans­pa­ren­te Kom­mu­ni­ka­ti­on ein­zu­üben. Wer das nicht tut, ver­liert die Mit­ar­bei­ten­den ganz schnell. Wir sehen das im Moment auch sehr stark im kirch­li­chen Kontext.

Geschwis­ter­lich­keit: Gute Füh­rung gelingt nur gemein­schaft­lich, gera­de in Zei­ten wie heute.

Wel­che fran­zis­ka­ni­schen Wer­te sind für Füh­rungs­kräf­te interessant?
Für mich sind drei Wer­te aus der fran­zis­ka­ni­schen Spi­ri­tua­li­tät sehr wich­tig im Zusam­men­hang mit Lea­der­ship. Zum einen die Armut: Es geht hier um eine tie­fe Hal­tung, mir, dem Leben und dem ande­ren gegen­über. Es geht um das Los­las­sen und Sich-Ein­las­sen, sich frei machen von, um für etwas und jeman­den da zu sein: das Los­las­sen von Vor­ur­tei­len und Schub­la­den, das Los­las­sen von Fest­schrei­bun­gen. In dem Klei­nen das Gro­ße suchen und fin­den, also auch ande­re zu ermu­ti­gen, bei sich selbst Fähig­kei­ten und Cha­ris­men zu fin­den, die sie nicht bei sich ver­mu­tet hät­ten. Die Kunst der klei­nen Schrit­te – und vor allem auch der Mut zu Unvoll­kom­men­heit, zum Schwa­chen und Frag­men­ta­ri­schen. Und da bin ich beim zwei­ten Aspekt: Geschwis­ter­lich­keit. Leben geht nur gemein­sam mit ande­ren. Gute Füh­rung gelingt nur gemein­schaft­lich, gera­de in Zei­ten wie heu­te. Fla­che Hier­ar­chien, mit­ein­an­der reden und sich ver­trau­ens­voll offen­ba­ren: die fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät steht dafür.

Und der drit­te Wert?
Das drit­te ist das „Min­der­sein“: Lea­der­ship im fran­zis­ka­ni­schen Sin­ne heißt Die­nen wol­len; dem ein­zel­nen, der Gemein­schaft und dem Gesamt die­nen wol­len und Sor­ge dafür tra­gen, dass Wachs­tum und auch Umkehr gelin­gen können.

Vie­le Füh­rungs­kräf­te fra­gen meist zuerst nach dem Out­put. Was bringt mir als Unter­neh­me­rin oder Unter­neh­mer die Beschäf­ti­gung mit „Spi­ri­tua­li­tät“ und „Lea­der­ship“ denn ganz kon­kret im Alltag?
Ja, das stimmt, und die Fra­ge ist ja auch sinn­voll. Ich glau­be, dass der Out­put der Beschäf­ti­gung mit Lea­der­ship und Spi­ri­tua­li­tät sehr groß ist: Ich über­prü­fe mei­ne Quel­len und stär­ke sie. Ich über­prü­fe mei­ne Hal­tun­gen, mei­nen Füh­rungs­stil, mein Men­schen­bild und auch mei­ne Rol­le. Ich wen­de Tools pro­fes­sio­nell an, nicht um der Tools wil­len, son­dern aus Sor­ge um das Gan­ze, um so bes­ser und effi­zi­en­ter die Arbeit zu gestal­ten und das gemein­sa­me Ziel zu errei­chen. Letzt­lich ist eine Ver­ge­wis­se­rung mei­ner selbst, mei­ner Hal­tun­gen zum Leben, zum Mit­men­schen und zur Welt ein ziem­lich kon­kre­ter Output.

Sie sind Direk­tor von IUNC­TUS, dem Kom­pe­tenz­zen­trum für Christ­li­che Spi­ri­tua­li­tät. Wie gehen Sie dort das The­ma an?
IUNC­TUS arbei­tet auf der einen Sei­te natür­lich wis­sen­schaft­lich an die­sen The­men, das heißt in Form von For­schungs­pro­jek­ten und Publi­ka­tio­nen. Doch den weit­aus grö­ße­ren Raum nimmt die Arbeit mit Füh­rungs­kräf­ten ein, vor allem in kirch­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen wie Diö­ze­sen, Ordens­ge­mein­schaf­ten, Ein­rich­tun­gen und Stif­tun­gen im sozi­al-cari­ta­ti­ven und im Gesund­heits­be­reich. Wir ver­su­chen dabei sowohl auf die Hal­tun­gen zu schau­en, aber auch auf rele­van­te Instru­men­ta­ri­en, die einen Ver­än­de­rungs­pro­zess oder ein Mee­ting bes­ser und auch effi­zi­en­ter, vor allem erfolg­rei­cher wer­den las­sen. Es ist ein gesun­der Mix von Theo­rie, Anwen­dung und Trai­ning und Selbst­re­fle­xi­on. Wir haben ein Lea­der­ship-Pro­gramm mit Spi­ri­tua­li­tät ent­wi­ckelt, das wir Orga­ni­sa­tio­nen vor­stel­len und es auch ent­spre­chend ihrer Bedürf­nis­se ver­än­dern und fokus­sie­ren können.

Wie ist die Resonanz?

Sehr gut! Das The­ma macht mir per­sön­lich sehr viel Freu­de. Lea­der­ship gehört pro­fes­sio­na­li­siert, dazu zählt vor allem auch die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Spi­ri­tua­li­tät und den Quel­len der jewei­li­gen Orga­ni­sa­ti­on, um so dem Geist noch mehr Raum zur Ent­fal­tung geben zu können.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Inter­view: Tobi­as Rauser

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu IUNC­TUS fin­den Sie hier. 

Pressekontakt

Bei Fra­gen zu die­ser Mel­dung oder zur Auf­nah­me in den Pres­se­ver­tei­ler mel­den Sie sich per Mail oder Tele­fon bei Tobi­as Rau­ser, Lei­ter Pres­­se- und Öffent­lich­keits­ar­beit: Tele­fon: +49 (0)160–99605655 oder

KAPNEWS

Der News­let­ter der Kapuziner
Wol­len Sie über die Kapu­zi­ner und ihr Enga­ge­ment  infor­miert blei­ben? Dann mel­den Sie sich kos­ten­los für unse­re monat­li­chen „KAPNEWSan.
www.kapuziner.org/newsletter

START­SEI­TE
Pressekontakt

Bei Fra­gen zu die­ser Mel­dung oder zur Auf­nah­me in den Pres­se­ver­tei­ler mel­den Sie sich per Mail oder Tele­fon bei Tobi­as Rau­ser, Lei­ter Pres­­se- und Öffent­lich­keits­ar­beit: Tele­fon: +49 (0)160–99605655 oder

KAPNEWS

Der News­let­ter der Kapuziner
Wol­len Sie über die Kapu­zi­ner und ihr Enga­ge­ment  infor­miert blei­ben? Dann mel­den Sie sich kos­ten­los für unse­re monat­li­chen „KAPNEWSan.
www.kapuziner.org/newsletter