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FOTO: KIÊN HÓNG LÉ

BR. STEFAN REISCH

wur­de 1972 in Mem­min­gen gebo­ren. Der gelern­te Bank­kauf­mann trat 2007 in den Kapu­zi­ner­or­den ein und leg­te 2014 sei­ne ewi­ge Pro­fess ab. Der Kapu­zi­ner wird in Zukunft im Kon­vent der Kapu­zi­ner in Frank­furt leben und arbeiten. 

22. Febru­ar 2023

Wie gehe ich mit meinem Nächsten um?

Br. Ste­fan Reisch ist Kapu­zi­ner und arbei­tet unter ande­rem als Pfört­ner. Im Inter­view sagt der Ordens­mann, was sein Dienst mit Fas­ten zu tun hat und wie er vom Bank­schal­ter an die Klos­ter­pfor­te gekom­men ist.

Br. Ste­fan, wann saßen Sie zum ers­ten Mal an einer Klos­ter­pfor­te und haben gedacht: Das ist etwas für mich?
Das war in mei­nem Juni­o­rat, also in der Aus­bil­dung zum Kapu­zi­ner. Dort ver­brach­te ich einen grö­ße­ren Teil an der Pfor­te. Da wur­de mir klar: Das könn­te eine Auf­ga­be sein, die mich erfüllt.

War­um?
Mir gefällt die Begeg­nung mit Men­schen. Und die Abwechs­lung: Ich weiß nie, was im Lau­fe des Tages auf mich zukommt. Es kann ein ruhi­ger Tag wer­den, aber auch sehr hek­tisch und for­dernd sein.

Wer klopft an die Pfor­te im Kloster?
Zuerst muss ich sagen: Die­se Per­so­nen wol­len in ers­ter Linie nicht zu mir, son­dern haben ein Anlie­gen oder Fra­gen, die oft an jemand ande­ren gerich­tet ist. Ich bin da nur der Ver­mitt­ler. Die Men­schen, die zu uns Kapu­zi­nern kom­men, sind sehr unter­schied­lich. Vie­le arme Men­schen klop­fen an die Pfor­te, um bei uns etwas zu essen zu bekommen.

Was macht einen guten Pfört­ner aus?
Da wür­de ich ein­deu­tig sagen: die Offen­heit. Jeder darf kom­men mit dem, was ihn gera­de umtreibt. Das kann eine Klei­nig­keit sein oder etwas Schwer­wie­gen­des. Der Pfört­ner soll­te ver­su­chen, eine offe­ne Tür und ein offe­nes Ohr zu bieten.

Wie bleibt man offen?
Ich mag Men­schen. Jeder soll erst ein­mal unvor­ein­ge­nom­men will­kom­men sein. Aber natür­lich ist das ein wech­sel­sei­ti­ger Pro­zess, es kommt in einer län­ge­ren Bezie­hung auch dar­auf an, wie der ande­re mir begegnet.

Rückt denn jeder gleich raus mit der Spra­che und sei­nem Anliegen?
Nein, des­we­gen ist wich­tig, gut hin­zu­schau­en. Es gibt ein Zusam­men­tref­fen, das mich nach­hal­tig bewegt. Es war Sams­tag und am Nach­mit­tag kam ein Mann an die Pfor­te. Ich kann­te ihn vom Sehen, er stand nur da und war­te­te auf jeman­den. Ich hat­te gleich das Gefühl, dass es ihm nicht gut ging und habe ihm gehol­fen, sei­nen Gesprächs­part­ner zu fin­den. Erst spä­ter habe ich erfah­ren, dass sich die Frau des Man­nes weni­ge Stun­den zuvor das Leben genom­men hat­te. Er war bei uns, um mit jeman­dem zu reden.

In den nächs­ten Wochen geht es für Sie von Müns­ter nach Frank­furt. Was war­ten dort für Auf­ga­ben auf Sie?
Auch dort wer­de ich unter ande­rem den Pfor­ten­dienst über­neh­men. Die Details wer­den wir aber erst vor Ort klä­ren. Den Men­schen an der Pfor­te begeg­nen, Hos­piz­be­glei­tung und geist­li­che Beglei­tung: Das alles wird in Frank­furt in ein gutes Ver­hält­nis kommen. 

Es gibt eine Bibel­stel­le, in der es indi­rekt um den Pfor­ten­dienst geht. In Jesa­ja 58 heißt es: „Ist nicht das ein Fas­ten, wie ich es wün­sche: die Fes­seln des Unrechts zu lösen, die Stri­cke des Jochs zu ent­fer­nen, Unter­drück­te frei­zu­las­sen, jedes Joch zu zer­bre­chen? Bedeu­tet es nicht, dem Hung­ri­gen dein Brot zu bre­chen, obdach­lo­se Arme ins Haus auf­zu­neh­men, wenn du einen Nack­ten siehst, ihn zu beklei­den und dich dei­ner Ver­wandt­schaft nicht zu ent­zie­hen?“ Ist das eine tref­fen­de Berufsbeschreibung?
Mir ist die­se Bibel­stel­le sehr wich­tig! Fas­ten ist heut­zu­ta­ge ja fast ein Mode­be­griff gewor­den, der mit Schön­heit, Fit­ness und Body Maß Index in Ver­bin­dung gebracht wird. Dabei ist Fas­ten etwas ande­res: Es geht nicht um das eige­ne Wurst­brot, son­dern dar­um, wie Du dem Hung­ri­gen, wor­an auch immer es ihm fehlt, begeg­nest. Das ist die Aus­sa­ge die­ser Stel­le. Und das passt sehr gut für mich und mei­ne Auf­ga­be an der Pforte.

Das Fas­ten fin­det in der Begeg­nung statt?
Ja, das ist genau das, was ich mei­ne. Es ist nicht so: Ich ver­zich­te auf Scho­ko­lo­de und bin damit ein bes­se­rer Mensch. Das wider­le­gen die­se Zei­len. Jeder von uns ist auf­ge­ru­fen, sich selbst zu fra­gen: Wie gehe ich mit mei­nem Nächs­ten um?

Schon bevor Sie Kapu­zi­ner gewor­den sind, hat­ten Sie viel Kon­takt mit Men­schen. Sie sind gelern­ter Bank­kauf­mann. Wie kommt man vom Bank­schal­ter an die Klosterpforte?
Erst ein­mal möch­te ich sagen, dass mir die­ser Beruf viel wert ist. Ich schät­ze ihn immer noch sehr, auch und wegen des Kon­tak­tes mit Men­schen. Zu mei­nem Weg bei den Kapu­zi­nern: Ab einem bestimm­ten Alter habe ich mir Fra­gen gestellt und mich auf die Suche gemacht. Ganz kon­kret kann­te ich einen Pries­ter, der mich frag­te, ob ich auf den Welt­ju­gend­tag nach Köln mit­fah­ren möch­te. Das war 2005 und ich schon 33 Jah­re alt. Die Fra­ge habe ich erst­mal mit ‚Nein‚ beant­wor­tet. Zum einen war ich 33 Jah­re alt und nicht mehr ganz zur Ziel­grup­pe gehö­rig und eine Mil­li­on Men­schen, die zusam­men­kom­men, sind dann doch ganz ordent­lich. Dann habe ich über­legt und bin mit. Es war eine unglaub­li­che Woche, die alles ver­än­dert hat. Ich habe mich gefragt: Was ist mein Fundament?

Wie haben Sie die­se Fra­ge beantwortet?
Erst ein­mal habe ich mit dem Pries­ter gespro­chen und mich beschwert (lacht): „Da haben Sie mir ja etwas ein­ge­brockt! Nun ist alles anders, was soll ich denn jetzt machen?“. Spä­ter bekam ich jede Men­ge Pro­spek­te in die Hand, dar­un­ter einer von den Kapu­zi­nern ‚Ein­fach – Enga­giert – Evan­ge­li­um‚. Knapp zwei Mona­te spä­ter war ich dann im Kapu­zi­ner­klos­ter Salz­burg zur Klos­ter­wo­che und neue Wege öff­ne­ten sich.

Dann stand eine dras­ti­sche Ent­schei­dung an.
In der Tat. Es war der drit­te Besuch bei den Kapu­zi­nern über ein lan­ges Wochen­en­de. Am Mon­tag kam ich dann zurück in die Bank und mein Kol­le­ge mein­te nur: „Ich glau­be, wir kön­nen die­ses Jahr nicht so mit Dir pla­nen, wie bis­her.“ Er hat­te Recht. 

Inter­view: Tobi­as Rauser

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