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Auswege aus dem Dunkel der Krise
In diesen herausfordernden Zeiten kommen viele an Grenzen. Auch wir Kapuziner. Doch wenn Gott sich auf den Weg zu uns Menschen macht, öffnet er auch uns neue Wege, schreibt Br. Helmut Rakowski in seinem Weihnachtsimpuls.
Gott kommt uns Menschen nahe und erschließt uns damit neue Wege. Das ist es, was wir an Weihnachten feiern.
In der Woche vor Weihnachten haben wir Kapuziner mit der Kirche die sogenannten O‑Antiphonen gebetet. In einem dieser Texte rufen wir: „O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel – du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und niemand vermag zu öffnen: Komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes.“ Unser ungewöhnliches Weihnachtsbild in ungewöhnlichen Zeiten zeigt: In aller Finsternis um uns herum, wird uns Licht geschenkt und Auswege zeigen sich.
Es sind wahrhaft herausfordernde Zeiten. Eine lähmende Dunkelheit macht sich breit, nicht nur weil überall Strom gespart wird. Vermehrt stoßen gegensätzliche Interessen aufeinander. Die Einen demonstrieren gegen den Boykott Russlands: Warum sollen wir an hohen Energiekosten bankrottgehen, nur, um der Ukraine beizustehen? Dagegen erinnern sich die Anderen, aus der deutschen Geschichte heraus, dass Gewalt rechtzeitig gestoppt werden muss.
Wir Alten ärgern uns, wenn junge Menschen sich auf Straßen festkleben, um auf die dramatische Situation des Planeten aufmerksam zu machen. Aber wir müssen anerkennen, dass sie es sind, die die Katastrophen ausbaden müssen, wenn wir die Erderwärmung nicht stoppen.
Auch in unserer Kirche stoßen verschiedene Denkweisen aufeinander: Statt den Willen Jesu für heute umzusetzen, kleben wir an Traditionen, die oft nicht mehr als ein paar Jahrhunderte alt sind. Und bei uns Kapuzinern verlangen wir von Brüdern, die Jahrzehnte ihren Dienst treu getan haben, dass sie im Alter Abschied nehmen sollen von liebgewordenen Orten und Gewohnheiten. Mit ihnen fühlen sich Menschen von uns verlassen. Aber auch wir haben eine Verantwortung für die Jüngeren und dafür, dass wir auch in Zukunft das Evangelium verkünden können in Wort und Tat.
Überall stoßen wir spürbar an Grenzen. Und in diesen Grenzerfahrungen feiern wir Weihnachten. Unser adventliches Gebet „Komm und öffne den Kerker der Finsternis und die Fesseln des Todes“ findet Erfüllung. Wir feiern, dass in der Menschwerdung Gottes sich neue Wege eröffnen. Die Hirten sehen Licht, die Weisen folgen einem Stern, die Engel singen vom Frieden. Gott macht sich auf den Weg und wird einer von uns. Das bewegt uns. Hoffentlich nicht nur emotional, sondern in Richtung Zukunft.
Ihnen allen wünsche ich ein gnadenreiches und friedvolles Fest der Menschwerdung Gottes und ein gesegnetes neues Jahr 2023! Möge der „Gott mit uns“ im neuen Jahr Auswege eröffnen aus dem Dunkel der aktuellen Krisen. Möge das Geheimnis der Weihnacht uns bewegen!