Interview

FOTO: KAPU­ZI­NER

BR. BRIAN THOMAS

begann 2022 sein Pos­tu­lat bei den Kapu­zi­nern. Seit 2023 lebt er im inter­na­tio­na­len Novi­zi­at der Kapu­zi­ner im ita­lie­ni­schen Tortona. 

8. April 2024

Br. Brian im Noviziat: „Ich komme in eine neue Freiheit“

Br. Bri­an Tho­mas lebt im inter­na­tio­na­len Novi­zi­at der Kapu­zi­ner im ita­lie­ni­schen Tor­to­na. Was den jun­gen Ordens­mann beschäf­tigt und wie sein Tag als Novi­ze aus­sieht, sagt er im Inter­view mit kapuziner.org. 

Br. Bri­an, Sie sind nun seit einem hal­ben Jahr im Novi­zi­at in Ita­li­en. Wie geht es Ihnen?
Es geht mir gut, trotz aller Her­aus­for­de­run­gen, die das Novi­zi­at mit sich bringt. Die Halb­zeit war ein guter Moment, inne­zu­hal­ten. So lang­sam bekom­me ich das Gefühl, wirk­lich hier ange­kom­men zu sein.

Was ist das für ein Ort, das Novi­zi­at in Tortona?
Tor­to­na ist eine klei­ne Stadt mit etwa 30.000 Ein­woh­nern, zwi­schen Mai­land und Genua. Im Kon­vent sind wir 22 Brü­der, sechs Aus­bil­der und 16 Novi­zen. Das Klos­ter ist schon seit vie­len Jah­ren Novi­zi­ats­klos­ter, seit letz­tem Jahr gehört auch Br. Harald aus unse­rer Pro­vinz zum Stamm­kon­vent.. Die Grup­pe der Novi­zen ist inter­na­tio­nal: sechs Ita­lie­ner, sechs Kroa­ten, zwei Fran­zo­sen und ein Slo­wa­ke. Und ich, ein Deutscher.

Alles ist auf Ita­lie­nisch, ist das eine Hürde?
Die gemein­sa­me Spra­che im All­tag, für den Unter­richt und im Gebet ist Ita­lie­nisch. Ich habe die Spra­che von Null auf ler­nen müs­sen, aber inzwi­schen kom­me ich gut zurecht. Schon wäh­rend des Pos­tu­lats hat­te ich Sprach­un­ter­richt und habe eine Zeit in Ita­li­en ver­bracht. Den­noch war der Start hier eine Her­aus­for­de­rung für mich, denn es ist ein­fach anstren­gend, den gan­zen Tag in einer frem­den Spra­che zu kom­mu­ni­zie­ren. Und auch jetzt noch fehlt manch­mal die Tie­fe, die es braucht, um die Nuan­cen im Zwi­schen­mensch­li­chen auszudrücken.

Das brü­der­li­che Leben nimmt einen noch stär­ke­ren Raum ein, auch das Gebets­le­ben bekommt eine ande­re Tiefe

Wie sieht das Leben eines Novi­zen aus?
Die Woche ist klar struk­tu­riert und ver­läuft sehr regel­mä­ßig: Den Grund­rhyth­mus bestim­men die Gebets­zei­ten mor­gens, mit­tags und abends. Von Diens­tag bis Frei­tag gibt es Unter­richt und Arbeit. Am Wochen­en­de ist es nach dem Haus­putz Sams­tag­mor­gen etwas frei­er und am Mon­tag ist ein stil­ler Tag vor­ge­se­hen. Ers­ter gemein­sa­mer Ter­min ist das Mor­gen­ge­bet um 6.30 Uhr. Nach den Lau­des gibt es eine hal­be Stun­de Stil­le und dann Früh­stück. Am Vor­mit­tag ist Unter­richt, den die Brü­der aus dem Kon­vent und manch­mal auch Exter­ne machen. Es ist ein biss­chen wie bei Har­ry Pot­ter: Jeder Bru­der hat sein The­ma, das er den Novi­zen näher­bringt. Der Novi­zen­meis­ter etwa spricht über die Kon­sti­tu­tio­nen, also die Regeln des Ordens und die Gelüb­de. Die ande­ren Brü­der the­ma­ti­sie­ren die fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät, Gebet und Kon­tem­pla­ti­on oder die Geschich­te der Kir­che und des Ordens.

Und nach dem Mittagessen?
Da gibt es die wun­der­ba­re ita­lie­ni­sche Sies­ta – eine völ­lig neue Erfah­rung für mich (lacht). Eine gute Stun­de hat man Zeit für sich. Mit einem Gebet star­tet der Nach­mit­tag, der durch Akti­vi­tä­ten kari­ta­ti­ver Art oder Arbeit im Haus geprägt ist. Am Abend folgt noch­mal ein gro­ßer Block mit Mes­se, Ves­per und Stil­le, der etwa zwei Stun­den dau­ert. Gegen 19.30 geht es zum Abend­essen mit anschlie­ßen­der “Rekrea­ti­on“, was in Ita­li­en Brett­spie­le, Kicker oder auch Film­abend bedeutet.

Was ist der größ­te Unter­schied zwi­schen Pos­tu­lat und Noviziat?
Der stärks­te Kon­trast von Pos­tu­lat und Novi­zi­at besteht in mei­nem Bewe­gungs­ra­di­us. Im Pos­tu­lat war ich an vier ver­schie­de­nen Orten in drei ver­schie­de­nen Län­dern, dazu kamen Rei­sen, etwa zum Welt­ju­gend­tag. Hier bin ich nun ein Jahr an nur einem Ort, ich ver­las­se das Gelän­de fast über­haupt nicht. Dadurch nimmt das brü­der­li­che Leben einen noch stär­ke­ren Raum ein und auch das Gebets­le­ben bekommt eine ande­re Tiefe.

Wie klappt es denn mit den Mit­brü­dern? Was klappt gut, was for­dert Sie heraus?
Vor allem ist es eine wun­der­ba­re Erfah­rung, Euro­pä­er zu sein. Bei allen kul­tu­rel­len Unter­schie­den, die zum Vor­schein kom­men und die mich mei­ne Iden­ti­tät als Deut­scher auch bes­ser ver­ste­hen las­sen, sehe ich hier das Ver­bin­den­de über die Gren­zen hin­weg. Das stärkt mich. Ande­rer­seits sind die kul­tu­rel­len Unter­schie­de auch eine Her­aus­for­de­rung für ein so inten­si­ves Gemein­schafts­le­ben wir das Uns­ri­ge. Die­se Anfor­de­run­gen kom­men zu den inne­ren Ansprü­chen, die die­ses Jahr an mich stellt, noch obendrauf.

Grund­sätz­lich will ich aber sagen: Es ist schön, auch ent­ge­gen der all­ge­gen­wär­ti­gen kirch­li­chen Stim­mung von Über­al­te­rung und Unter­gang, hier einen Auf­bruch zu erle­ben. Wir sind 16 jun­ge Män­ner, die posi­tiv und suchend auf dem Weg sind. Für den spi­ri­tu­el­len Weg, den das Novi­zi­at bedeu­tet, sind mei­ne Mit­brü­der der wich­tigs­te Kata­ly­sa­tor, denn im all­täg­li­chen Leben hal­ten die Brü­der mir den Spie­gel vor. Sie stel­len mir die Fra­ge: War­um bist du eigent­lich hier? Willst Du und kannst Du lieben?

Die Schwie­rig­kei­ten sind da, aber es ist eine wun­der­schö­ne Erfah­rung, dass ich hier an die­sem Ort über mich hin­aus­wach­sen kann

Sind ver­schie­de­ne Kir­chen­bil­der eine Her­aus­for­de­rung in der Gemeinschaft?
Die Unter­schie­de, die es natür­lich gibt, sind kein bestim­men­des Ele­ment im All­tag. Aber es ist eine berei­chern­de Erfah­rung: Denn hier sit­ze ich mit dem kirch­lich Anders­den­ken­den an einem Tisch, das sind kei­ne anony­men Leu­te aus der Zei­tung. Es ist der Bru­der, mit dem ich bete, arbei­te und esse. Was wir hier leben, das gilt im Gro­ßen für Kir­che und Gesell­schaft: Wir müs­sen wie­der in den Dia­log kom­men, auch wenn die Mei­nun­gen auseinandergehen.

Das Leben als Novi­ze ist größ­ten­teils ein Leben ohne Han­dy und Inter­net. Wie ist das so?
Es ist eines der größ­ten Geschen­ke und gleich­zei­tig auch eine der größ­ten Her­aus­for­de­run­gen die­ses Jah­res. Es fühlt sich an wie „ein biss­chen Ster­ben“. Das Was­ser, in dem man immer geschwom­men ist, ist nicht mehr da. Es geht ja nicht nur um das Han­dy. Es geht um den Kon­takt mit Fami­li­en und Freun­den. Es geht dar­um, das Welt­ge­sche­hen ver­fol­gen zu kön­nen. Sich geis­ti­ge Nah­rung zu holen, Musik zu hören. Wenn das alles zu 90 Pro­zent abge­schal­tet wird, ist das ein gro­ßer Ein­schnitt. Vor allem für mich, der ich eigent­lich ein ver­netz­ter Typ bin. Gleich­zei­tig ist die­se Lebens­form in die­sem Jahr ein Geschenk. Ich muss nicht inner­lich abwä­gen, was ich gera­de machen soll, kann mich voll auf das ein­las­sen, was gera­de ansteht. Ich mache die para­do­xe Erfah­rung, dass ich in eine neue Frei­heit kom­me. Dass ich ver­wan­delt werde.

War­um sind Sie vor sechs Mona­ten ins Novi­zi­at eingetreten?
Weil ich in der Erfah­rung des Pos­tu­la­tes erlebt habe, dass durch alle Wider­sprü­che hin­durch eine Klar­heit für mich da ist: Der Herr will mich hier haben. Also gera­de nicht ein: Alles passt. Son­dern: Obwohl eben nicht alles per­fekt passt, spü­re ich deut­lich, dass das der rich­ti­ge Weg für mich ist. Dar­um woll­te und will ich mich dar­auf einlassen.

Wie geht es Ihnen heu­te mit die­ser Entscheidung?
Sie war rich­tig, ich füh­le mich bestä­tigt. Die Schwie­rig­kei­ten sind da, aber es ist eine wun­der­schö­ne Erfah­rung, dass ich hier an die­sem Ort über mich hin­aus­wach­sen kann. Es ist eine Erfah­rung von Frei­heit: Ja zu sagen, auch wenn es einen etwas kostet.

Fran­zis­ka­nisch leben bedeu­tet für mich: Mich dem Leben mit sei­nen Her­aus­for­de­run­gen und Wider­sprü­chen stel­len, im Ver­trau­en auf Jesus

Wie haben Sie sich verändert?
Gera­de durch die inne­ren Stür­me hin­durch hat sich mein Ver­trau­en immer wei­ter ver­scho­ben. Weg von einem Ver­trau­en auf mich selbst hin zu einem Ver­trau­en auf Gott. Auch bekommt alles, was ich bis­her ver­sucht habe in mei­nem Glau­ben zu leben, näm­lich wahr­haf­tig und lie­be­voll zu sein, durch die Ent­schei­dung, sich an eine Lebens­form und Gemein­schaft zu bin­den, eine völ­lig ande­re Rea­li­tät. Es ist plötz­lich sehr kon­kret. Das hat mich über­rascht. Und nicht zuletzt geht es um das The­ma Brü­der­lich­keit: Mei­ne Brü­der hier im Orden sind oft anders als ich, aber ich bin dabei zu ler­nen, den ande­ren anzu­neh­men, wie er ist.

Im Som­mer steht die Ent­schei­dung an, die Gelüb­de abzu­le­gen. Wie geht Ihr Weg weiter?
Ich bin mit der Grund­ein­stel­lung ins Novi­zi­at gegan­gen, dass ich mei­ne per­sön­li­che Unter­schei­dung schon gemacht habe und dass die­se Ent­schei­dung nun von mei­nen Aus­bil­dern geprüft und bestä­tigt wer­den muss. Und natür­lich gibt es auch in mir noch ein Rin­gen. Aber wenn ich alles hun­dert Pro­zent offen­las­sen wür­de, dann könn­te ich die Trans­for­ma­ti­on, die das Novi­zi­at bedeu­tet, gar nicht wirk­lich an mich ran­las­sen. Das Ziel ist für mich also klar for­mu­liert: das „Ja“ zu dem, was Gott für mich und von mir will.

Wie wol­len Sie in Zukunft „fran­zis­ka­nisch leben“?
Das Genia­le am fran­zis­ka­ni­schen Leben besteht in sei­ner Ori­gi­na­li­tät. Das Evan­ge­li­um wird sicht­bar und erfahr­bar durch Men­schen, die von ihm erfüllt sind. Von Men­schen, die den Duft der Frei­heit und der Schön­heit Got­tes ver­brei­ten, weil sie dazu befreit sind, wahr­haft sie sel­ber zu sein. Dafür steht Franz von Assi­si für mich. Und Gott will nicht, dass ich eine Kopie des hei­li­gen Fran­zis­kus wer­de, son­dern der Bri­an, den Er sich aus­ge­dacht hat, gemein­sam mit den Brü­dern, die er mir schenkt. Fran­zis­ka­nisch leben bedeu­tet also für mich: Mich dem Leben mit sei­nen Her­aus­for­de­run­gen und Wider­sprü­chen stel­len, im Ver­trau­en auf Jesus. In Gemein­schaft mit ihm und mei­nen Brü­dern an dunk­le Orte gehen, damit sie Orte des Lich­tes und Lebens werden.

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser

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