

FOTO: Roswitha Dorfner
BR. THOMAS SCHIED
predigte am 23. März 2023 in Altötting als 4. Fastenprediger zum Thema „Jesus Christus gegenwärtig in der Eucharistie“
„Ich bin bei Euch alle Tage“: Staunen über die Eucharistie
Das Motto der Wallfahrtssaison 2023 in Altötting lautet: „Ich bin bei Euch alle Tage“. Br. Thomas Schied hat sich in seiner Fastenpredigt mit der Eucharistie auseinandergesetzt – Kraftquelle für Christen und Zeichen für Gottes Zuspruch.
Wenn man einen Wohnungswechsel vor oder hinter sich hat, dann weiß man was für ein anstrengendes Projekt das ist. Nicht nur körperlich, weil da geputzt werden muss und Kisten zu schleppen sind. Sondern vor allem auch innerlich, weil es gar nicht so leicht ist, einen vertrauten Ort zu verlassen und an einem anderen Ort neu anzufangen.
Wir Kapuziner haben eine gewisse Übung damit. Es gehört zu unserer Ordenstradition, dass wir Brüder immer wieder versetzt werden. Der Heilige Franziskus war ein Wanderprediger – das spürt man in unseren Ordensstrukturen bis heute. Auch ich habe mich vor einigen Wochen wieder mal auf den Weg gemacht an einen neuen Wirkungsort mit neuen Aufgaben. Von München nach Salzburg. Als ich da am Packen war, ist mir etwas aufgefallen: Ich habe viel Zeit dadurch verloren, dass ich jeden einzelnen Gegenstand beim Packen betrachtet hab. Immer verbunden mit der Frage: Nehme ich das Teil jetzt mit oder trenne ich mich davon. Vielleicht kennen Sie das ja auch. Wenn man aufräumt – wenn man umräumt, was taucht da nicht alles auf.
Ich hatte zum Beispiel einen Stein in der Hand: Von der Natur geformt. Fast so rund wie eine Kugel. Er begleitet mich seit vielen Jahren. Mitgebracht hatte ich ihn mal von einer Wanderung am Rhone-Gletscher im Schweizer Kanton Wallis. Als ich den Stein so angeschaut hab, war sofort die Erinnerung da. Ich hatte die Gesichter meiner Wandergruppe vor Augen. Ich erinnerte mich an den grandiosen Ausblick und an die kalte Eisluft in der Gletscherhöhle. Wunderbar. Ich hab den Stein wieder eingepackt und er liegt jetzt wieder auf meinem Schreibtisch in der Klosterzelle.
Eine ganz andere Erinnerung ist in mir hochgestiegen, als ich das silberne Kreuz aus der Versehgarnitur meiner Familie eingepackt hab. Jahrelang stand es Sonntag für Sonntag auf dem Wohnzimmertisch meiner Großeltern, wenn der Pfarrer oder die Gemeindereferentin die Krankenkommunion gebracht hat. Wie oft hat die Großmutter wohl vor diesem Kreuz gebetet für die Kinder und Enkelkinder. Was hat sie vor diesem Kreuz nicht alles ihrem Heiland anvertraut. Auch dieses Kreuz steht jetzt in meinem Zimmer. Oft schaue ich es an und dann bin ich emotional in der Wohnung meiner Großeltern. Ich spüre, dass sie immer noch da sind, obwohl sie schon lange nicht mehr leben.
In der Wallfahrtssaison 2023 in Altötting geht es um die großartige Zusage Jesu an seine Jünger und an all die Menschen, die ihm nachfolgen und die zu ihm gehören. „Ich bin bei Euch alle Tage!“
Was heißt das konkret? Wo entdecken wir etwas von dieser Gegenwart des Herrn? Er ist da in der Schöpfung. Er ist da in der Gemeinde. Er ist da im Wort.
Und er ist da in der Eucharistie.
Wenn wir das Brot und den Wein zum Altar bringen, wenn der Priester den heiligen Geist über diese Gaben herabruft und die Einsetzungsworte Jesu wiederholt: „Das ist mein Leib für Euch. Das ist mein Blut. Das ist der Kelch des neuen Bundes“ – dann erleben wir etwas Ähnliches und doch etwas wesentlich Größeres als bei den Erinnerungen an liebe Menschen oder an schöne Erfahrungen.
Ähnlich ist es insofern, dass wir uns in der Eucharistiefeier an Jesus erinnern. Wir hören die biblischen Geschichten. Wir lesen das Evangelium. Wir hören und schauen nach, wie das damals war. Und wir spüren vielleicht da und dort, was die Botschaft mit uns heute zu tun hat. Wir versuchen das mit unserem Alltag in Verbindung zu bringen. Manchmal gelingt uns das gut und manchmal wiederum ist das gar nicht so leicht.
Was wir in der Heiligen Messe feiern, geht aber weit über das bloße Gedenken und Erinnern weit hinaus.
Im Oktober 2020 wurde in Assisi ein junger Mann, besser gesagt, ein Jugendlicher, selig gesprochen. Das ist sehr selten. Sein Name war Carlo Acutis. Er wurde nur 15 Jahre alt. Der junge Selige war den italienischen Kapuzinern sehr eng verbunden und die Brüder betreuen heute sein kleines Heiligtum in der Unterstadt von Assisi. Vielleicht können wir erwachsene Christen etwas von ihm lernen.
Zunächst war dieser Carlo ein ganz normaler junger Mann. Man sieht es auf den Bildern von ihm. Er war modern gekleidet. Er war sportlich. Vor allem war er unbeschwert froh – oft sieht man ihn mit einem herzhaften und frohen Lachen, das von innen heraus kommt. Das gilt auch für die Zeit seiner schweren Leukämie-Erkrankung, die er so treu und tapfer getragen hat, dass die Leute in seiner Umgebung sagen konnten: „Das ist ein Heiliger.“
Carlo Acutis hatte eine Kraftquelle. Und das war die Eucharistie. Schon als 11- oder 12-jähriger sagte er einmal: „Für mich ist die Eucharistie ist der Weg zum Himmel.“ Und das Haupt-Apostolat seines kurzen Lebens war es, die Menschen auf dieses große Geschenk – auf die große Gabe – aufmerksam zu machen, die uns Christus selbst hinterlassen hat. Dieser junge Mann hat in seinem kurzen Leben erfahren, dass Jesus in der Eucharistie da ist. Ganz echt und lebendig.
„Das ist mein Leib. Das ist mein Blut. Ich bin da für Dich, wie es dir auch gerade geht.“ Diese Worte sagt Jesus auch zu uns. Er hat uns – wie wir sagen – beim Letzten Abendmahl das Gedächtnis seiner Liebe hinterlassen. Aber vor allem schenkt er uns sich selbst, wenn wir miteinander Eucharistie feiern, in den Zeichen von Brot und Wein.
Papst Franziskus lädt ein, über dieses Geschenk der Eucharistie zu staunen. Der Papst sagt: „Niemand auf dieser Welt, kann sich selbst für einen anderen zur Nahrung machen. Gott tat und tut dies für uns.“ Erneuern wir dieses Staunen! Wenn wir uns in der Eucharistie an Jesus Christus erinnern, wenn wir ihn auf dem Altar als lebendiges Brot feiern und in der Hostie empfangen, dann nehmen wir ihn mit in unseren Alltag.
Ob wir an einem Ort bleiben – oder immer wieder ganz neu anfangen. Ob wir noch jung sind – oder ob wir als Christen in die Jahre gekommen sind. Wir haben eine Kraftquelle. Nicht nur im Rückblick. Nicht nur als Erinnerung. Der Herr sagt heute zu dir und zu mir, er sagt es in der Eucharistie: Ich bin da für Dich!