

FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
Impuls: Mit drei Übungen die Achtsamkeit schärfen
Viele sehnen sich nach Ruhe und Stille, nach Momenten, in denen man einfach da sein und die Welt wahrnehmen kann, wie sie ist. Drei Übungen zur Achtsamkeit, um das Leben wieder bewusster zu gestalten. Von Br. Thomas Dienberg.
Die Welt ist so schön, ist so staunenswert. Der Mensch ist so wunderbar geschaffen. Doch warum nehmen wir uns keine Zeit, all das auf uns wirken zu lassen? Das Leben ist eine Schule der Wahrnehmung, eine Einladung, um zu sich und zur Wirklichkeit zu gelangen.
Diese Einladung wahrzunehmen, fällt im Trubel des Lebens oft schwer. Hier finden Sie drei Übungen, die leicht einen Platz im Alltag finden können. Es geht bei diesen Übungen um Wahrnehmung, denn die Wahrnehmung der Welt und der eigenen Sinne führt zum Innersten. So kann man gestärkt in den Alltag zurückkehren.
ÜBUNG 1
Wunderwerk Natur
Ich bin unterwegs. Im Park, im Wald, in der Stadt. Und ich lenke den Blick in die Natur. Ich gehe so wie immer: Alles ist normal und ruhig. Ich lasse meinen Blick schweifen. Ich nehme alles wahr, was sich so tut. Mein Blick streift die Bäume, den Weg. Ich entdecke Spuren, das ein oder andere, was Menschen hinterlassen haben. Verschiedene Pflanzen wachsen am Wegesrand, ich sehe das ein oder andere Haus. Es begegnen mir Tiere und Menschen – vieles ist in Bewegung, der Jahreszeit entsprechend.
Mein Blick beobachtet dieses Wunderwerk der Natur. Wie staunenswert ist alles zusammengefügt. Es muss ein Meister sein, der dieses Kunstwerk geschaffen und gestaltet hat. Ein Meister des Lebens, ein Lebensmeister. Ich nehme wahr, was es ist: ein unglaubliches Geschenk. All das, was ist, weil es ist und wie es ist.
Ich schreibe ein Loblied auf die Schöpfung auf ein Blatt Papier!
ÜBUNG 2
Zulassen und Loslassen
Ich setze mich für zehn Minuten in einen stillen Raum, suche eine gute Sitzposition – und tauche in mich ein. Ich schließe die Augen, nehme wahr, was sich an Bildern und Gedanken regt. Ich konzentriere mich auf meinen Atem. Ich versuche ganz ruhig ein- und auszuatmen und dabei in einen Rhythmus zu kommen. Ein und aus, ein und aus. Wenn mich ein Gedanke oder ein Bild belästigt, dann lasse ich es einfach zu und konzentriere mich auf den Atem: ein und aus, ein
und aus. Ich spüre mein Herzklopfen, vielleicht ist es unruhig und laut in mir. Ich lasse es so, wie es ist, und konzentriere mich weiter auf meinen Atem. Ein und aus, ein und aus.
Langsam stellt sich eine Ruhe ein, die mir der Atem verschafft: Ein und aus, ein und aus. Und mit jedem Atemzug hole ich die Stille in mich hinein, mit jedem Ausatmen lasse ich los, die Gedanken und Bilder – mich selbst. So sitze ich zehn Minuten. Ich sitze und atme und bin einfach nur da: Einatmen und Ausatmen, ein und aus. Zuletzt löse ich mich, öffne die Augen, nehme den Raum wahr, strecke und dehne mich – und schreibe auf, wie ich nun hier sitze.
Ist es mir gelungen, die Gedanken und Bilder einfach zuzulassen? Hat mich das entspannt oder angestrengt?
ÜBUNG 3
Wie ich das Kreuz sehe
Ich suche eine Kirche auf, die mir gefällt. Hier fühle ich mich beheimatet oder mir gefällt der Raum, er lädt mich ein, zu mir und zu Gott zu kommen. Ich setze mich in eine Bank: gerade, in mir ruhend. Ich bereite mich, schaue auf meinen Atem und mache mir bewusst, dass ich in einer Kirche sitze, in einem Raum, in dem man den Tod feiert, ihn nicht ausklammert. Deutlich wird das am Kreuz, dem Zeichen für Endgültigkeit schlechthin. Ans Kreuz geschlagen, gelitten und gestorben. Nach einem kurzen Leben hängt er dort am Kreuz, Jesus, der Sohn Gottes.
Ich schaue dieses Kreuz an. Auch wenn es für die Christen das Symbol der Auferstehung und damit der Überwindung des Kreuzes ist: Es symbolisiert den Bruch, den der Tod in unser Leben schlägt.
Ich schaue das Kreuz an, lasse mich von ihm anziehen. Was bedeutet es mir? Ist es Symbol des Todes und gleichzeitig Symbol der Auferstehung? Oder nur eines von beiden? Ist es ein Symbol der Hoffnung und des Glaubens? Oder sagt es mir nichts?
Ich halte die Stille und das Kreuz aus – und schreibe anschließend auf, was das Kreuz für mich bedeutet.
Dieser Artikel stammt aus cap!, dem Magazin der Kapuziner. Die Übungen sind dem Buch „Einmal zu Dir selbst und zurück“ von Br. Thomas Dienberg entnommen. Der Kapuziner hat einen Übungsweg entwickelt, um der inneren Ruhe, sich selbst und Gott näherzukommen. Das Buch aus dem Camino-Verlag ist überall im Buchhandel und im Netz erhältlich.