

FOTO: KAPUZINER/WALTERMANN
Missionsstation in Albanien: Zuflucht im Pfarrhaus
Im Obergeschoss des kleinen Häuschens in der Missionsstation in Albanien ist eine junge Frau mit ihren vier Kindern eingezogen. Sie floh vor ihrem gewalttätigen Mann.
Albanien ist ein patriarchal geprägtes Land, auch wenn viele alte Traditionen mittlerweile bröckeln. Zumindest in den Bergregionen hat dieses Rollenverständnis noch eine große Bedeutung. Der Mann ist das Haupt der Familie, die Frau ist quasi sein Eigentum. Der Kanun, das Gewohnheitsrecht der Berge, ein Regelwerk aus dem Mittelalter, das auf der Ehre basiert, ist in den Köpfen der meisten Albaner noch immer sehr präsent und bestimmt ihr Verhalten.
Väter sagen gewöhnlich: ich habe meine Tochter verheiratet. Manche Mädchen werden mit 16,17, Jahren zur Ehe „freigegeben“. Oft aus folgendem Grund: ein Esser weniger am Tisch, eine Folge der Armut. Es gibt immer noch Fälle, in denen eine junge Frau ihren zukünftigen Ehemann vor der Heirat nur zwei- oder dreimal gesehen hat.
Als Liza verheiratet wurde, war sie gerade 18. Jetzt ist sie 26 und hat vier kleine Kinder: Elvira 7, Mirgita 5, Ardita 2 ein halb und Jozef 7 Monate (alle Namen geändert). Sie wohnte bei der Familie ihres Mannes in einem entfernten Dorf. Über viele Jahre wurde sie von ihrem Mann misshandelt und geschlagen, meistens unter Alkohol-Einwirkung. Den Kindern gegenüber galt ihr Mann immer als ein liebevoller und umsichtiger Familienvater. Nach einem erneuten, schlimmen Gewaltausbruch gegen seine Frau, hat sie ihn nun angezeigt. Er wurde verhaftet und sitzt seitdem im Gefängnis.
Häusliche Gewalt ist in Albanien keine Seltenheit und es gibt mittlerweile auch Gesetze, die das als Straftat ahnden. Im Kanun heißt es dagegen: „Verletzt der Mann die Frau und beklagt diese sich bei ihren Eltern, so wird der Mann diesen Rechenschaft geben. Schlägt der Mann die Frau, so fällt er nach dem Gesetz (dem Kanun) nicht in Schuld, und ihre Eltern können ihn für dieses Schlagen nicht zur Rechenschaft ziehen.“
Liza konnte für einige Tage mit den beiden jüngeren Kindern bei ihren Eltern in einem anderen entfernten Dorf unterkommen. Das war aber keine gute Lösung. Dort gibt es keine Schule, keinen Kindergarten, keine Einkaufsmöglichkeit. Und ihr Vater hat ebenfalls große Probleme mit Alkohol.
Br. Andreas Waltermann, Kapuziner in Albanien, hat aus diesem Grund der Familie angeboten, für drei Monate im Obergeschoss des kleinen Häuschens in der Missionsstation einzuziehen. Dort gibt es zwei Zimmer und ein Bad. Die beiden älteren Töchter, die von der Familie ihres Mannes festgehalten wurden, konnten mithilfe der Polizei abgeholt werden.
Mittlerweile haben die Kapuziner eine Wohnung im fünften Stock eines Wohnblocks in Fushë-Arrëz in Aussicht, die Liza günstig anmieten kann. Dort muss noch renoviert werden (vor allem das Betondach abgedichtet werden), dann kann Liza mit ihren vier Kindern dort einziehen. Die Kapuziner werden Liza und ihre Kinder weiterhin unterstützen, wenn es notwendig ist.