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Rechenschaft vor Gott: Über das ehrliche Hinschauen
Am Ende des Lebens, so der christliche Glaube, muss der Mensch Rechenschaft vor Gott ablegen. Wie sieht er dann aus, der Rechenschaftsbericht meines Lebens? Und was bedeutet das für meinen Weg heute?
Wer den Begriff Rechenschaft hört, mag an Rechenschaftsberichte denken. Berichte, in denen eine Jahresbilanz dargelegt oder in denen über das berichtet wird, was im vergangenen Jahr oder einer gewissen Zeitperiode entschieden und getan wurde. Es wird unter einem bestimmten Aspekt auf eine gewisse Periode geschaut und Resümee gezogen.
Bei uns in den Ordensgemeinschaften wird auf jedem Kapitel der Rechenschaftsbericht des Provinzials oder des verantwortlichen Oberen vorgelesen. Gegenüber den Schwestern und Brüdern legen die Verantwortlichen Rechenschaft ab über die Zeit, in der sie die Leitung der Provinz oder des Ordens innehatten. Dasselbe geschieht hinsichtlich der Finanzen und auch hinsichtlich wichtiger Institutionen und ihrer Entwicklungen. Es geht also darum, ehrlich und offen Auskunft zu geben über Handlungen, Prozesse, Entscheidungen und die entsprechenden Gründe dafür.
Rechenschaft ablegen hat also etwas zu tun mit Verantwortung übernehmen. Stehe ich zu dem, was getan, unterlassen und entschieden wurde? Der Ausdruck ‚Gerade stehen für etwas‘ trift es sehr gut, eben auch für das, was nicht gut gelaufen ist. ‚Zur Rechenschaft gezogen werden‘ ist dann oftmals negativ bezogen auf getroffene Fehlentscheidungen oder initiierte Prozesse, die nicht wie abgesprochen oder erwartet gelaufen sind.
Die Rede von der Hölle verweist vor allem auf das Hier und Jetzt
Auch im religiösen Kontext geht es immer wieder um die Rechenschaft und um die Verantwortung für das, was der Mensch getan oder unterlassen hat. Sich für seine Taten verantwortlich zeigen und die Konsequenzen annehmen: das meint Rechenschaft in diesem Zusammenhang. In allen drei monotheistischen Weltreligionen gibt es das Welt- oder auch Endgericht, wenn Menschen von Gott zur Rechenschaft gezogen werden und Rechenschaft ablegen müssen.
Das Bild und die Rede von der Hölle, ähnlich wie die apokalyptischen Bilder, spiegeln in drastischer Weise wider, dass der Mensch am Ende seines Lebens Gott gegenüber Rechenschaft ablegen, sich verantworten und die Konsequenzen akzeptieren muss. Wichtig ist: Ich darf hoffen! Jesus verheißt mir Rettung und Heil. Er verheißt es allen Menschen.
Andererseits muss der Mensch aber auch mit der Möglichkeit rechnen, auf immer gescheitert zu sein. Aufgrund eigener Entscheidung und Verweigerung. Hoffnung ist also keine Sicherheit. So sagt der Theologe Franz-Josef Nocke: „Von der Hölle reden heißt: auf den Abgrund aufmerksam machen, aber nicht: die Aufmerksamkeit auf den Abgrund fixieren, und erst recht nicht: behaupten, dass einige sicher in ihn stürzen werden.“ Das Bild der Hölle zeigt drastisch, was es heißt, zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Die Rede von der Hölle verweist vor allem auf das Hier und Jetzt. Sie verweist auf die Aufforderung Jesu, die Liebe zu leben. Darüber werde ich Rechenschaft ablegen müssen. Und ist es nicht auch gut und angemessen, sich immer wieder einmal selbst zu vergewissern und sich selbst gegenüber Rechenschaft abzulegen?
Ein Zeugnis, für das ich von Gott zur Rechenschaft gezogen werde.
Nicht die Gedanken über das, was einmal kommen mag, sind wichtig. Nicht ein Leben ohne Aussicht ist die entscheidende Botschaft dieses umstrittenen theologischen Themas der Hölle, sondern meine Verantwortung im Hier und Jetzt, über die ich dereinst werde Auskunft geben müssen – also der Rechenschaftsbericht meines Lebens!
Jesus fordert mich auf, hier und jetzt die Weichen zu stellen – indem ich die Liebe nicht ausschlage, indem ich liebe und mich lieben lasse, den liebenden Blick Gottes im anderen nicht ausschlage. Somit ist die Rede von der Hölle keine Rede von einem Leben ohne Aussicht, sondern eine Rede von dem Leben mit Aussicht, für das ich verantwortlich bin! Nicht erst später, sondern hier und heute. Dafür werde ich zur Verantwortung gezogen.
Rechenschaft ablegen, das bedeutet nichts anderes, als Zeugnis zu geben für den Glauben und für die Hoffnung, die in mir sind – wie stark oder wie schwach sie auch sein mögen. Ein Zeugnis, das ich immer wieder zu hinterfragen habe, das ich vielleicht verändern muss. Ein Zeugnis, für das ich von Gott zur Rechenschaft gezogen werde.
Der Artikel von Br. Thomas Dienberg ist zuerst in cap! erschienen.