
FOTO: KAPUZINER/LEDERSBERGER
BR. MORITZ HUBER
wurde 1995 im bayerischen Friedberg geboren. Der gelernte Brauer trat 2020 in den Kapuzinerorden ein. Zurzeit lebt der junge Ordensmann im Kapuzinerkloster in Salzburg und studiert dort Theologie.
Was treibt Dich an? Br. Moritz im Interview
Die neue Interview-Serie „Was treibt Dich an?“ aus dem Magazin „cap!“ geht der Frage nach, was der Treibstoff für ein gelingendes Leben ist. Den Anfang macht Br. Moritz Huber, Kapuziner in Salzburg.
„Ich bin glücklich.“ Wann haben Sie das zum letzten Mal gedacht?
Br. Moritz Huber: Gestern.
Was war der Anlass?
Das Wetter war schön, ich war spazieren durch Salzburg, eine sehr schöne Stadt. Schönheit und Glück passen gut zueinander.
Wann waren Sie zuletzt unglücklich?
Ich finde es schwierig, das zu beantworten. Wenn man traurig ist, zweifelt oder hadert: dann muss man ja nicht gleich unglücklich sein. Natürlich habe ich auch schlechte Tage. Unglück und Glück sind aber weite Felder und ich persönlich unterscheide eher zwischen Glück und Zufriedenheit. Wichtig ist, dass man zufrieden ist.
Was ist Zufriedenheit?
Zufrieden ist der, der wenig braucht. Nicht der, der viel hat. Mir geht es darum, zufrieden zu sein, denn ich will mit dem, was ich habe, so wie ich da bin, gut und in Frieden leben können. Es geht mir nicht um besondere Erlebnisse oder Hochgefühle, ich brauche das nicht. Für mich geht es darum, auf dem Boden zu stehen und in Frieden zu sein. Das Leben annehmen, so wie es ist. Ich kann schwer traurig sein und gleichzeitig glücklich. Aber ich kann schon traurig sein und gleichzeitig zufrieden. Deswegen geht es mir um Zufriedenheit.
Wie erreicht man dieses „in Frieden sein“?
Da gibt es keinen Plan und kein Projekt. Was für mich auf jeden Fall dazugehört, das sind der Verzicht und die Genügsamkeit. Es muss auch mal reichen, sich in die Sonne in den Garten zu setzen, um zufrieden zu sein. Wenn man immer daran denkt, was jetzt noch besser wäre, dann wird es nichts mit der Zufriedenheit.
Wie haben Sie das gelernt?
Das ist ein Thema, das mich mein ganzes Leben begleitet. Auch ich verliere es immer wieder aus dem Blick, aber gerade in der christlichen Dimension merke ich immer wieder, was Erlösung eigentlich bedeutet. Wenn ich mir bewusst bin, dass ich von Gott angenommen, geliebt und erlöst bin, dann lebe ich ganz anders. Dann kann ich zufrieden sein. Das Einlassen auf das Leben, es annehmen, wie es ist, das ist der Schlüssel.
Wie sieht es zurzeit in Ihrem Leben aus?
Ich bin in einer Phase, in der ich zufrieden bin, das kann ich schon sagen. Dennoch hadere und zweifele auch ich, vor allem, wenn es um die Frage geht: Wo stehen wir denn in der Gesellschaft, in der Kirche und im Orden? Es braucht auch Veränderung und konkrete Ziele, um zufrieden zu sein. Da kann ich ganz persönlich sagen: Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und sagen: passt doch alles! Das wäre für mich Gleichgültigkeit, keine Zufriedenheit.
Sie sagen, dass Sie das Thema schon lange begleitet. Seit wann?
Das war auf dem Gymnasium, auf dem Weg zum Abitur. Schule ist mir immer sehr leichtgefallen und ich hatte gute Noten. Dennoch war ich mit dem Bildungssystem, das jede Individualität und eigene Interessen im Keim erstickt, sehr unzufrieden. Ich dachte: Was soll ich denn mit den guten Noten, dem Abi? Was will ich? Das war eine schwere Lebensphase und ich bin viel in die Stille gegangen. Mir wurde klar: Dein Leben braucht eine Ausrichtung.
Welche Rolle spielte Gott dabei?
Nicht die zentrale Rolle. Dennoch kam die Gottesfrage ins Spiel, da es auch um Dankbarkeit ging. Denn es stellt sich natürlich die Frage: Wem bin ich denn dankbar?
Sie sind Brauer geworden.
Ich wollte auf keinen Fall studieren, dieses verzweckte Lernen war nichts für mich. Ich wollte leben und im Leben stehen. Eine Einfachheit mit einem normalen Ausbildungsberuf und Menschen um mich herum, die ich mag und die mich mögen. Der Beruf passt zu mir, es war die richtige Entscheidung. Nach der Ausbildung stellte sich die Frage, was und wo machen? Ich habe als Brauer gearbeitet, und war später auch für die Flüchtlingsversorgung in meinem Landkreis zuständig.
Eine wichtige Rolle bei ihrer Entscheidung fürs Kapuziner-Sein spielte eine Wanderung nach Rom.
Ich bin mit einem Freund von Innsbruck nach Rom gelaufen, ein sehr prägendes Erlebnis. Wir kamen an Assisi vorbei, Spiritualität war Teil des Weges. Den heiligen Franziskus fand ich authentisch. Das war kein Berufungserlebnis, aber es ist hängengeblieben. Jeden Abend haben wir uns kurz in eine Kirche gesetzt und danke gesagt. Danke für die Menschen, die uns so freundlich aufgenommen haben. Der Weg war das Ziel.
Nach der Reise ging es nach der Arbeit in der Flüchtlingshilfe wieder in den alten Job.
Ja. Und ich war dort eigentlich auch glücklich. Nur ganz zufrieden war ich nie. Mir ging es gut im Bayerischen Wald, und ohne diese Ausgangsposition wäre ich auch heute nicht hier im Kloster. So wurde mir klar, dass etwas fehlte – obwohl ich alles hatte. Aber es fehlte etwas, ich kann es heute immer noch nicht richtig beschreiben.
Eine Sehnsucht?
Ich kann und möchte das gar nicht beschreiben, denn jeder Mensch muss selber seinen Erfahrungen Raum geben und diese Erfahrungen leben. Ich kann nur sagen: Etwas hat in meinem Herzen Raum gefunden. Und das treibt mich heute an.
Wo begegnet Ihnen Gott?
Mein Glaube ist eine Perspektive auf das Leben. In diesem Glauben finde ich Gott. Nicht im Wald, in der Stille oder im Gebet. Ich finde Gott in dem, was mir als Leben entgegenkommt. Für mich tragen auch die klassischen Systeme geistlichen Lebens, in welchen alles gut strukturiert ist, nicht. Viele dieser Systeme sind brüchig und es gibt kein Modell, dass das für jeden festlegen kann.
Ist der Orden so ein System?
Nein, ich fühle mich hier in nichts hineingepresst. Ich empfinde das in Bezug auf die Gesamtkirche aber schon schwierig. Viele Strukturen, Narrative, die tragen für den modernen Menschen nicht mehr. Wenn man diese dann als Ideal hochhält, dann presst es schon, denn es steht ja der Wirklichkeit und dem Leben oft entgegen.
Sie studieren Theologie. Hilft oder schadet Wissen der Spiritualität?
Wenn man einfach nur einen Weg ohne Wissen geht, dann landet man schnell im Fundamentalismus. Es ist extrem wichtig, Dinge zu hinterfragen, damit etwas tragen kann. Dennoch ist die Frage nicht unberechtigt: Studium und Spiritualität in Einklang zu bringen, ist oft herausfordernd. Da gibt es Phasen: Mal ist es wichtig, in die Wahrnehmung zu gehen, mal gibt es Phasen, in denen man Fragen hat, die man vom Kopf her beantworten muss.
Was ist der Treibstoff für Ihre Gottesbeziehung?
Ich bin überzeugt, dass das Leben Tiefe hat. Dieser Tiefe will ich nachgehen, das Leben erkennen und gut leben. Ich habe es nicht so mit Bibelzitaten, aber es gibt ein Wort, das mir wichtig ist: „Wohin sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens“. So geht’s mir, in meinem Glauben finde ich die Tiefe im Leben.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Interview-Reihe „Was treibt Dich an?“ erscheint in cap!, dem Magazin der Kapuziner. Das Gespräch mit Br. Moritz führte Tobias Rauser.