

GRAFIK: Christine Plößer
Kapuziner-FAQ: Was bedeutet „vita mixta“?
In unseren „Kapuziner-FAQ“ beantworten wir die wichtigsten Fragen rund um die Ordenswelt. Heute geht es um die „vita mixta“: Was bedeutet dieser Grundsatz und woher kommt er?
Ein wichtiger Grundsatz des Kapuzinerseins ist die „Vita Mixta“. Was bedeutet das?
Lange gab es in der Kirche zwei Lebensentwürfe. Ein kontemplatives Leben, das auf Gebet und Gottesschau ausgelegt war (vita contemplativa) und vor allem in den Klöstern gelebt wurde. Und dann ein Leben, dass das Tätige (vita activa) in den Mittelpunkt stellte. Die „vita mixta“, übersetzt das „gemischte Leben“, ist die Idee, diese beiden Lebensentwürfe miteinander in Einklang zu bringen und aus beiden die Vorteile mitzunehmen.
Woher kommt dieser Grundsatz?
Das theologische Konzept der vita mixta stammt schon aus dem spätmittelalterlichen Diskurs. Beim heiligen Franziskus, der dieses Ideal mit Leben gefüllt hat, sehen wir das „gemischte Leben“ aber schon früher. So zog sich Franziskus immer wieder in die Stille und das Gebet zurück, um dann aus diesen Zeiten der tiefgehenden Gottesbegegnung aktiv zu den Menschen zu gehen, ihnen zu predigen, mit ihnen zu leben und den Menschen ein Vorbild zu geben.
Ist die „Vita Mixta“ ein Alleinstellungsmerkmal der franziskanischen Gemeinschaften?
Bei den franziskanischen Gemeinschaften gehört die „vita mixta“ zur DNA. Franziskus von Assisi hat diese Lebensweise vorgelebt, die ersten Brüder haben sie übernommen. Gleichzeitig leben aber auch viele andere Gemeinschaften ein Lebensmodell, wo es um eine Mischung aus Hingabe für die Menschen auf der einen und Gebet auf der anderen Seite geht.
Was bedeutet „Stille und Kontemplation“ bei den Kapuzinern?
Die entscheidende Frage ist, was einen im Leben trägt. Uns Kapuzinern ist unsere Arbeit wichtig, aber das, was uns wirklich trägt, ist das Gemeinschaftsleben mit unseren Mitbrüdern und insbesondere die Begegnung mit Gott. Dafür bedarf es immer wieder der Stille und des Gebets, um sich wieder neu auf Gott auszurichten. Es geht darum, Gott Platz im eigenen Raum zu geben und sich von IHM durchwirken zu lassen. So wie wir Essen, Trinken und Schlaf benötigen, um am Leben zu bleiben, benötigen wir Gott, um unser Leben als Kapuziner wirklich leben zu können. Stille und Kontemplation sind deswegen für uns kein Hobby, sondern etwas Lebensnotwendiges, ohne das wir nicht wir selber sein können.
Was bedeutet „Dienst am Mitmenschen“?
Bei der Stille und Kontemplation geht es gar nicht so sehr um das eigene Tun, sondern darum, einfach bewusst vor Gott zu sein und IHN machen zu lassen. Um solch ein Dasein geht es für uns Kapuziner auch bei unseren Mitmenschen. Sicher machen wir auch Dinge, bauen Projekte auf, gestalten aktiv und bringen voran, aber mindestens genauso wichtig ist es, einfach da zu sein für andere Menschen. Zuzuhören, zu begleiten und ansprechbar zu sein. Dabei steht gar nicht so sehr das Ergebnis im Vordergrund, dass neue Dinge entstehen und Wichtiges vorangebracht wird, sondern der einzelne Mensch in allem Unspektakulären und Alltäglichen.
Sind beide Dinge ein Widerspruch?
Grundsätzlich stehen diese beiden Dinge nicht im Widerspruch, sondern ergänzen sich. Da, wo ich im Gebet bin und die Gottesbegegnung lebe, kann ich dies im aktiven Tun konkretisieren. Gerade die Begegnung mit Gott drängt immer wieder auch in die konkrete Umsetzung, in das Dasein für Andere. Und auch der Dienst am Menschen kann das Gebet bereichern und vertiefen. Gott ist die Liebe. Und die Liebe ist nichts Theoretisches, sondern will gelebt werden. In Bezug auf andere Menschen, also durch unser Tun, in Bezug auf uns selber und in Bezug auf Gott, indem wir etwa in Gebet und Kontemplation seine Gegenwart suchen.
Aber es kann natürlich auch zu einem Widerspruch zwischen diesen beiden Polen kommen. Zum Beispiel, indem das Arbeitsleben einen immer größeren Raum einnimmt und das Gebet zu kurz kommt, oder indem die eigenen Aufgaben und andere Menschen aus dem Blick geraten durch eine Überbetonung von Gebet und Stille. Wenn man zum Beispiel immer dann sich in die Stille berufen fühlt, wenn es darum geht, die Toiletten zu putzen, oder man sich so sehr auf seine Gebetszeiten fokussiert, dass man die Nöte der Menschen um einen herum nicht mehr wahrnimmt, dann ist etwas in Schieflage geraten.
Wie bekommt man beides unter einen Hut, oder besser: unter eine Kapuze?
Dafür gibt es kein Patentrezept. Zumal die Art und Weise der Gottesbeziehung, des Gebetslebens, der Aufgaben, der Lebenssituation und eigenen Bedürfnisse sich von Bruder zu Bruder unterscheiden. Wichtig ist es, aufmerksam für sich und das eigene Gebetsleben zu bleiben, Veränderungen wahrzunehmen und zu unterscheiden, was einem gut tut, was dem Gebet förderlich ist und was nicht. Ein wichtiges Hilfsmittel ist für uns das Stundengebet und die tägliche Messe. Auch soll jeder Kapuziner täglich zumindest eine Stunde im stillen Gebet verbringen und jährlich an Exerzitien, also einer intensive Zeit des Gebetes und der Gottesbegegnung, teilnehmen. Eine weitere Hilfe kann die geistliche Begleitung sein, bei der man mit einem festen geistlichen Begleiter oder einer Begleiterin regelmäßig über die eigenen Gottesbeziehung spricht.
Leben die Brüder dieses „Vita Mixta“ unterschiedlich?
Ja. Zum Beispiel hat ein 90-jähriger Bruder einen anderen Lebensrhythmus als ein 25-jähriger Kapuziner. Zudem gibt es verschiedene Arten des Gebets und der Spiritualität. Brüder haben verschiedene Aufgaben. Manche sind beispielsweise viel auf Reisen, haben sehr umfangreiche organisatorische Aufgaben oder studieren Theologie, und wieder andere sind viel in „ihrem“ Kloster, haben mehr Zeit für Stille und Kontemplation. So muss jeder selber seinen eigenen Weg finden, Arbeit und Kontemplation in Einklang zu bringen.
Die Fragen beantwortete Br. Alexander Schröter
Bisher sind die Kapuziner-FAQ zu den Themen „Juniorat“, „Noviziat“, „Profess und Gelübde“, „Stundengebet“ und „Kapitel“ erschienen.